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In Erinnerungen versunken – wie mich die Nostalgie immer wieder fesselt


Es passiert nicht oft, aber immer mal wieder: Meine Gedanken driften in die Vergangenheit ab. Für nur einige Momente scheint die Welt still zu stehen. Mein Körper in der Gegenwart existent, aber meine Gedanken befinden sich auf Zeitreise mit meinen Gefühlen. Es sind Momente, in denen ich aus der Gegenwart flüchten kann, in jene Zeiten, nach denen ich mich manchmal sehne. Obwohl ich weiß, dass es nicht unbedingt bessere Zeiten waren. Warum nur?

Manchmal ist es nur ein Lied. Ein Duft. Ein Ort. Ein altes Foto. Und plötzlich zieht es mich zurück in die Vergangenheit, dann taucht diese eine Erinnerung vor meinem geistigen Auge auf. Es passiert ganz unbewusst. Als wäre diese Erinnerung mit einem gewissen Reiz verbunden, der sofort als Triggert fungiert. Dagegen wehren kann ich mich nicht, es ist wie eine Assoziationskette, der ich kaum entrinnen kann. Und plötzlich fühlt es sich so an, als wäre ich nicht mehr in der Gegenwart, als wäre ich wirklich wieder in dem Moment vor vielen Jahren, ich kann mich genau erinnern, wie es sich anfühlte, wie ich mich fühlte. Und das ist das Entscheidende. Das Gefühl wieder zu erleben, was ich einmal gefühlt habe – so einzigartig und kostbar.

Und dann hat sie mich wieder voll im Griff, die Nostalgie. Doch was ist denn eigentlich Nostalgie? Ich verwende das Wort im Alltag immer öfter, habe mich aber bewusst nie wirklich damit intensiv auseinandergesetzt.


Schmerz“ und „Heimweh“

Das Wort leitet sich ab von lateinisch „nostalgia“, was „Heimweh“ entspricht. Und ideses wiederum geht auf die griechischen Wörter νόστος nóstos („Rückkehr, Heimkehr“) und ἄλγος álgos („Schmerz“) zurück. Wenn man das also frei übersetzen würde, vereinen sich in dem Wort "Nostalgie" Rückkehr und Schmerz. Und ich glaube, dass auch in der heutigen Bedeutung einiges davon mitschwingt. Es ist die Rückkehr in die eigene Vergangenheit, die mit einem bittersüßen Schmerz verbunden ist. „Heimweh“ vielleicht im übertragenen Sinne. Die Sehnsucht nach dem, was mir vertraut ist, was mich schon lange begleitet, der Ort, an dem sich all das Vertraute sammelt, meine eigenen Erinnerungen.

Es ist eine Reise in mein früheres Leben. Ich erlebe Geschichten wieder neu, die längst erzählt worden sind, die längst abgeschlossen sind. Kapitel für sich, die mein Leben bereichern.


Erinnerungen im Wandel

Und dabei sind die Erinnerungen nie fest, nie endgültig. Denn wir sind Regisseure unseres Lebens. Unser Leben und woran wir uns erinnern, sind nie in Stein gemeißelt, alles im Wandel. Die Wahrheit ist: Wie wir auf unser Leben zurückblicken, verändert sich immer, ist immer subjektiv. Es kann sein, dass wir gewisse Dinge nicht mehr so wirklich erinnern können, dass die Erinnerung sich auch immer wieder verändert, immer wieder verfälscht wird. Das liegt daran, dass wir uns auch im stetigen Wandel befinden.

Aber das macht nichts und ändert auch nichts an der Tatsache, dass es unglaublich heilsam und schön sein kann, in Erinnerungen zu schwelgen.


Wie mich Musik in die Vergangenheit bringt

Für mich ist das inzwischen schon ein Ritual geworden. Immer dann, wenn ich Lieder, die mich schon viele Jahre begleiten auf meinem IPod höre. Dann versinke ich für einige Momente in meine Vergangenheit zurück. Gebe mich emotional komplett der Musik hin. Lasse die Erinnerungen von damals noch einmal gedanklich abspielen. Und genieße dabei das Gefühl, was mich im tiefsten Inneren bewegt. Ich kann das manchmal nicht mal wirklich in Worte fassen, was da eigentlich emotional bei mir abgeht.

Verschiedene Songs verbinde ich mit bestimmten Menschen, Momenten, Stadien in meinem Leben, mit bestimmten Emotionen und Erinnerungen. Wenn sie erklingen, lassen sie mich all das, was mal war, wieder erleben und fühlen. Und das hat etwas total befreiendes an sich. Es erdet mich ein Stück weit, bringt mich wieder mehr mit mir selbst in Verbindung. Denn solche Erinnerungshelfer sind sinnstiftend. Ohne unsere Erinnerungen wüssten wir nicht, wer wir sind. Sie machen uns zu dem Menschen, der wir heute sind. Ich fürchte, dass wir ohne Erinnerungen uns komplett verlieren würden. Und insofern gibt mir meine lieb gewordene Musik auch Orientierung im Leben. Hilft mir mein bisheriges Leben zu rekapitulieren.


Warum der Blick in die Vergangenheit keine Flucht sein muss

Warum driften die Gedanken immer wieder ins Vergangene zurück? Klar, definieren wir unsere Identität, was wir sind, über das, was wir erlebt haben. All das hat uns geprägt. Sich an das Vergangene zu erinnern, verbindet uns mit etwas Vertrautem. Es gibt uns das Gefühl der Geborgenheit, der Sicherheit, das alles gibt uns Halt und Orientierung.

Und was spricht auch dagegen, immer mal wieder zurückzuschauen? Schließlich ist das ja auch unser bisheriges Leben. Nur die ganze Zeit im Hier und Jetzt zu sein, sollte auch nicht übertrieben werden. Und schon gar nicht immer nur in die Zukunft zu schauen.

Der Blick zurück kann ebenfalls genauso wertvoll sein, wenn nicht sogar mehr. Es geht nicht nur ums Schwelgen in den Erinnerungen, sondern auch um bewusste Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit. Aus der Vergangenheit können wir lernen.

Und es ist auch für uns selbst interessant, unser bisheriges Leben mit unserem jetzigen zu vergleichen. Ich mache das schon seit einiger Zeit sehr intensiv, indem ich mir bewusst mache, wie mein Leben vor einigen Jahren war und wie es jetzt ist. Immer wieder komme ich zu erstaunlichen Erkenntnissen. Und das interessante: Es kommen immer wieder neue Perspektiven dazu, je größer die Zeitabstände zwischen damals und heute sind. Ein Blick in die Vergangenheit lohnt sich also immer.


War früher alles besser?

Das Interessante an der Nostalgie ist, dass wir meist eher an die positiven Erinnerungen denken. Im Rückblick erinnern wir mehr an das Gute, als an das Schlechte. Vielleicht auch eine Art Bewältigungsmechanismus.

Wie oft haben wir von vor allem älteren Menschen gehört: „Früher war alles besser!“ Aber stimmt das auch? Ich wage es zu bezweifeln. Eben weil wir nie den objektiven Blick auf unser bisheriges Leben und auf die Welt haben. Wir filtern von vornherein, auch wenn es uns nicht bewusst ist. Und das, was wir früher erlebt haben unterscheidet sich deutlich von dem, was wir heute noch daraus mitnehmen und woran wir uns erinnern. Denn unser Gedächtnis ist fehlerbehaftet und fokussiert sich mehr auf das Positive. Das Negative wird öfter einmal ausgeblendet und verdrängt. Und so kriegen wir eigentlich nur den beschönigenden Blick auf Vergangenes. Man sollte also eher differenzierter herangehen und reflektieren, inwiefern das wirklich mit der vergangenen Realität übereinstimmt.



Ein bittersüßer Schmerz

Nostalgie ist ein interessantes und widersprüchliches Gefühl. Einerseits überwiegen positive Empfindungen wie Freude, Geborgenheit, andererseits mischen sich auch nicht ganz so schöne Emotionen dazu. Sehnsucht nach dem, was mal war, aber nie wieder sein wird. Es ist eine Traurigkeit, zu wissen, dass diese geliebten Zeiten nicht mehr wieder kommen werden. Die bittere Erkenntnis, dass alles vergänglich ist, gute Zeiten enden. Und trotzdem überwiegt eben doch das Positive. Denn allein diese Erlebnisse gemacht zu haben, erfüllt mich mit so viel Dankbarkeit.

Mit Nostalgie verbinde ich so viele schöne Erinnerungen, dass es nicht möglich wäre, all diese hier aufzuzählen.

Ich denke vor allem an meine Kindheit, in der ich noch so komplett unbeschwert war und den lieben langen Tag spielen konnte. Selbst die Grundschulzeit hat jetzt wo ich schon seit mehr als 10 Jahren aus der Schule raus bin, etwas nostalgisches. Die Zeit mit meiner damals besten Freundin wird wahrscheinlich mit die schönste Erinnerungen bleiben. Ich erinnere mich an Zeiten, in denen ich noch viel ferngesehen habe oder die Anfänge meiner Internetzeit. Als ich damals noch so viel Zeit zu Hause mit Zocken verbracht habe. Auch das birgt viel Nostalgiepotenzial.

Und nicht zuletzt auch die Anfänge meiner ersten Beziehung und all die schönen Momente, die wir miteinander geteilt haben. Als alles noch so schön war, als wir noch glücklich waren und wir uns geliebt haben.


Nostalgie stiftet Dankbarkeit fürs Leben

Das sind alles Dinge, die heute einfach anders sind und die nie wieder Realität werden, sind es, die am meisten Nostalgie hervorrufen. Diese Momente, Erlebnisse und Zeiten werden sich nie wieder wiederholen und deswegen sind diese Erinnerungen einfach die wertvollsten überhaupt. Und das ist das, was vielleicht auch am meisten daran wehtut, was diesen bittersüßen Schmerz ausmacht: Zu wissen, dass es Dinge und Zeiten waren, die vergänglich sind und nie wieder sein werden. Obwohl ich mich danach sehne und manchmal wünschte, es wäre wieder so wie früher. Aber es wird nie wieder so sein. Und das ist vielleicht auch ganz gut so. Das ist das Leben. Statt das Glas halb leer zu sehen und darüber traurig zu sein, dass es vorbei ist, sollte ich glücklich und dankbar dafür sein, dass ich das erleben durfte.

Interessant fand ich übrigens bei meinen Recherchen, dass Nostalgie nicht einmal unbedingt nur negativ aufgefasst wurde, als eine Art Flucht in eigene Erinnerungen vor der eigentlichen Realität. Sondern dass es eine Art Bewältigungsmechanismus ist, um mit schwierigen Situationen und Emotionen umzugehen. Indem wir uns der Nostalgie hingeben, schöpfen wir wieder neue Kraft und Hoffnung. Nostalgie soll sogar damit depressive Stimmungen positiv beeinflussen.

https://de.in-mind.org/article/macht-uns-retro-gluecklich-ueber-die-bedeutung-von-nostalgie-fuer-das-psychische

Und trotzdem gilt es, auch irgendwann mal einen Cut zu setzen. Sich nicht in eine Nostalgie-Falle zu begeben und nur noch in Erinnerungen zu schwelgen. Sie gehören natürlich zum eigenen Leben dazu und dürfen gerne auch immer wieder durchgespielt werden. Aber irgendwann wird es auch Zeit, sich wieder dem Jetzt zu widmen. Denn auch in der Gegenwart warten noch viele schöne Dinge, Momente und Erlebnisse, die wiederum Teil unserer Biografie werden können. Die unser Leben genauso bereichern können wie die vergangenen Zeiten.

Und dann fällt mir dieses Sprichwort ein, was sehr gut dazu passt, wenn man sich in Nostalgie verliert und vielleicht doch die Trauer über die Vergänglichkeit überwiegt: „Weine nicht, weil es vorbei ist, sondern lächle, weil es schön war!“

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