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Was steckt hinter dem Beziehungsstatus "Es ist kompliziert"?


Man ist entweder Single oder in einer festen Beziehung. Zusammen oder eben nicht. Klingt ganz einfach, ist es aber definitiv nicht.

 

Meine Generation, die noch mit Facebook oder gar Schueler.vz groß geworden ist, kennt das noch: der sogenannte Beziehungsstatus, den man angeben konnte, wenn man möchte. Früher war es noch irgendwie etwas, worauf man stolz sein konnte, wenn man „in einer Beziehung“n angeklickt hat. Dann haben es alle Freund*innen und Leute, mit denen man auf Social Media zu tun hat, die tolle Neuigkeit gesehen.

Als ich noch jung war und Jugendliche war, gab es noch keine Datingapps und von Generation „Beziehungsunfähig“ habe ich noch nichts gewusst. War die Welt da noch in Ordnung? Keine Ahnung.

Irgendwie war es viel unkomplizierter, den eigenen Beziehungsstatus zu definieren. Entweder war man Single oder eben in einer Beziehung.

Aber dass es rückblickend doch nicht so einfach war, zeigt doch der Beziehungsstatus „Es ist kompliziert“. Ziemlich schwammig und mysteriös. Was heißt denn kompliziert? Was bedeutet das denn? Dahinter kann sich so viel verstecken. Während heutzutage eigentlich alle möglichen Beziehungsformen ein Label bekommen, wurde früher alles unter einem zusammengefasst: „Es ist kompliziert“. Was verbirgt sich alles dahinter? Eine Spurensuche.

Ja, nein, vielleicht

Erinnert ihr euch noch an die Zettelchen, die man sich damals gegenseitig zuschob? Und die Zettelchen, die an den Crush gingen mit der Frage: „Willst du mit mir gehen?“ „Ja“, „Nein“, „Vielleicht“. Man war eigentlich schon gezwungen, sich zu entscheiden. Aber auch damals gab es die Option, sich nicht entscheiden zu müssen. „Vielleicht“. Vielleicht ist die junge Generation von heute eher die Generation „Maybe“. Vielleicht komme ich heute, vielleicht auch morgen, mal schauen.

Und vielleicht drückt sich das tatsächlich auch in dem Beziehungsstatus „Es ist kompliziert“ aus.

Ich stelle mir vor, dass Leute gerne sagen, dass es kompliziert sei, weil die Geschichte, die den momentanen Beziehungsstatus erklären soll, wirklich kompliziert ist. Vielleicht will man denjenigen, der fragt, was nun Sache sei, einfach auch schnell abwürgen, hat vielleicht auch keine Lust, darüber zu reden. Es ist zu kompliziert, um damit überhaupt anzufangen. Um das überhaupt zu erklären. Und ich habe echt keine Lust, darauf einzugehen, aus Gründen.

Warum das Uneindeutige so anziehend ist

Wenn ich so darüber nachdenke, löst dieses „kompliziert“ etwas in mir aus. Als ob ein Teil tief in mir drinnen getriggert wird. Kompliziert bedeutet, es ist problematisch. Etwas ist nicht einfach, etwas ist nicht eindeutig, nein, es steckt so vieles darin. Es ist ein komplexes Problem, was man nicht sofort durchdringen kann. Es ist etwas, an dem man sich abarbeiten kann, was einen nicht loslässt. Weil man eben in der Schwebe steckt und ständig nach der Antwort sucht, die einen erlöst. Damit das Komplizierte irgendwann nicht mehr so kompliziert ist. Und eindeutig. Es ist ein Problem, das einen nicht loslässt, an dem man immer weiter arbeiten muss.

Das Komplizierte scheint mich mehr zu faszinieren, als das Eindeutige und Einfache. Genauso ist es mit Liebesgeschichten. Ich mag die mit Happy End schon. Aber noch viel mehr mag ich die Liebesgeschichten, die aus irgendwelchen Gründen auch immer nicht so enden, wie man es sich wünschen würde. Die, die einen bittersüßen und melancholischen Schmerz hinterlassen. Das sind die Geschichten, die sich am Ende mehr bei mir einprägen, als jede andere 0-8-15 Happy-End-Love-Story.

Und vielleicht reizen mich deswegen die so eindeutigen Beziehungsformen wie „Ich bin Single“ oder „in einer Beziehung“ nicht so sehr. Weil sie so eindeutig wirken. Das ist mir zu viel Schwarz-Weiß. Ich mag die Zwischentöne, alles dazwischen, was so vielfältig sein kann.

Es ist wirklich kompliziert

Ich war vor einem Jahr mit meiner Affäre genau an dem Punkt. Irgendwie waren wir Freund*innen, aber irgendwie auch in einer Art Beziehung. Etwas, was wir nicht wirklich definieren konnten. Weil es eben so einzigartig war. Aber er wollte es auch nicht wirklich definieren. Er hatte Angst davor, dem ganzen wirklich das Label „Beziehung“ zu verpassen. Das ist ein zu starkes Wort, da schwingt viel zu viel Bedeutung, Druck, gesellschaftliche Erwartungen mit. Was ihn nur zu sehr einengte und ihn fliehen ließ. Und so steckten wir irgendwo fest zwischen jeder ist für sich und doch sind wir irgendwie zusammen. Nur eben nicht richtig. Wir waren die gesamte Zeit über in einem Schwebezustand, nichts halbes und nichts ganzes.

Kurzum: Es war kompliziert. Kompliziert, weil ich eigentlich in einer festen Beziehung war. Weil ich sogar verheiratet war. Weil unsere „Beziehung“ nicht offiziell war. Weil alles, was zwischen uns lief, geheim bleiben musste. Weil er nach außen hin immer den Single gab. Und vielleicht fühlte er sich wirklich wie ein Single. Es war kompliziert, weil wir, was unsere Beziehung betraf, nicht dieselben Vorstellungen hatten. Wir dachten eigentlich ganz unterschiedlich. Ich hielt es für eine Beziehung, er dagegen nicht. Ich glaubte daran, dass wir fest zusammen sein könnten, er nicht. Das machte das Ganze unglaublich kompliziert. Und noch komplizierte machte einfach die ungewisse Zukunft. Was wird aus uns, wenn er wegzieht? Gibt es dann überhaupt noch ein Wir?

So viele Dinge, die das Ganze einfach unglaublich kompliziert machten. Ich glaube insofern treffen die Worte „Es ist kompliziert“ den Kern der ganzen Sache sehr gut.

Ich weiß also, wie es ist, wenn man irgendwie in so einem unsicheren Beziehungsstatus hängt. Ich war mir am Ende selbst nicht sicher, was es war. Es gab so viele unsichere Variablen, überhaupt so viel Unsicherheit und Unverbindlichkeit.

Doch all das löste in mir den Impuls aus, nach noch mehr Verbindlichkeit und Sicherheit zu streben. Blöd nur, dass es den gegenteiligen Effekt hatte. Ich suchte Verbindlichkeit und stieß gegen eine Wand und am Ende fiel ich in ein Loch.

Die Vielfalt hinter dem „Es ist kompliziert“

Mich reizt dieser Status „Es ist kompliziert“ so sehr, weil sich dahinter einfach so unglaublich viel verbergen kann. Es ist das Mehrdeutige, was mich so sehr anzieht und so eine magische Kraft auf mich ausübt. Genau deswegen schreibe ich auch darüber, um das alles besser zu ergründen.

Wann ist etwas kompliziert? Immer dann, wenn man dem Ganzen kein eindeutiges Label verpassen kann. All die Beziehungsformen, die eben nicht unter die Kategorie der klassischen Beziehung fallen, gehören in die Schublade „Es ist kompliziert“. Und vor allem die Beziehungsformen, von denen wir nicht mal wirklich sicher sind, ob sie verbindlich sind. Es fehlt ihnen Verbindlichkeit.

Ich denke da beispielsweise an Freundschaft Plus. In gewisser Weise ist es ja ein Arrangement zwischen Freund*innen, die ab und zu miteinander schlafen. Man ist nicht in einer Beziehung, aber irgendwie hat man schon eine Beziehung miteinander, nur eben keine romantische.

Oder an Affären, in denen man dann doch Gefühle für den anderen entwickelt, der aber nicht. Oder der Fuckbuddy, mit dem man sich dann doch mehr vorstellen kann.

Noch komplizierter wird es, wenn man dann tatsächlich „Mingle“ ist. Da verschwimmen ohnehin die Grenzen zwischen Single und in einer Beziehung sein. „Mingle“ setzt sich zusammen aus „mixed“ und „Single“. Ein gemischter Single, der irgendwie doch ein bisschen in einer Beziehung ist, aber auch nicht wirklich. Man verbringt Zeit miteinander, geht zusammen auf Dates, schläft miteinander und tut eigentlich all das, was Leute in einer Beziehung auch machen. Nur ist man nicht zusammen. Es fehlt die Verbindlichkeit. Man kann jederzeit aussteigen und sagen, dass man das nicht weitermachen will, wenn man sich ernsthaft verliebt hat und mit jemand anderem zusammen sein will. Das ist nur eine vorübergehende Lösung und für all diejenigen, denen Beziehungen zu eng und ernst sind, die aber trotzdem nicht auf die Intimität und all die Pärchensachen verzichten wollen.

Der eine liebt, der andere nicht

Und um das Ganze noch komplizierter zu machen, könnte auch einer von beiden sich verlieben, während der andere keine Gefühle hat außer Sympathie für den anderen. Und der hat dann den großen emotionalen Struggle und geht am Ende unglücklich aus die Nicht-Beziehung heraus. Steckt man also in so einer Art Beziehung unglücklich fest, ist es wirklich verdammt kompliziert.

Keiner will das offiziell machen, dass man vielleicht in einer Freundschaft Plus, Affäre oder Mingle-Beziehung ist. Warum? Weil es gesellschaftlich verpönt ist? Weil es Beziehungsformen sind, die man nicht offiziell macht? Zu denen man nicht steht? Auf die man die nicht stolz ist? Oder eben weil man den Schein wahren will, dass man ja immer noch für eine Beziehung zu haben ist?

Doch wenn man gefragt wird und wirklich ehrlich ist, aber auch nicht zu viel preisgeben will, sagt man: Es ist kompliziert.

Oder vielleicht ist man ja wirklich Single, aber in jemanden verliebt, der vielleicht nichts für einen empfindet. Vielleicht ist es ein Freund oder jemand in einer festen Beziehung. Vielleicht hat man mit demjenigen auch ein Affäre, aber letzterer will die Beziehung nicht beenden. Auch das verdient den Status „Es ist kompliziert“.

Vielleicht kommt man nicht von dem Ex los und findet sich wieder in einer ständigen On-Off-Beziehung, in der man weder mit noch ohne den anderen kann.

Vielleicht liebt man auch mehrere Menschen, kann sich aber nicht zwischen diesen entscheiden. Kommt auch nicht selten in Dreiecksbeziehungen vor.

Oder man ist in einer offenen Beziehung. Auch das könnte in die Kategorie „Es ist kompliziert“ fallen, weil das die meisten nicht mit einer klassischen Beziehung verbinden, auch wenn es eben eine ist.

Beziehungsstatus ungeklärt

Immer dann, wenn auch die Grenzen verschwimmen, wird es kompliziert. Aber oftmals liegt es auch daran, weil wir nicht sicher sind, was genau wir sind. Sind wir immer noch ein Single oder vielleicht in einer Beziehung? Vielleicht stecken wir auch in einer Phase, in der eben der Beziehungsstatus nicht geklärt ist. Also Beziehungsstatus „Unbekannt“. Vielleicht wollen wir es selbst oder eben auch nicht, aber derjenige, nach dem wir uns sehnen, gibt uns keine eindeutige Antwort. Möglicherweise trifft man schon länger jemanden, in den man sich verliebt hat. Aber man traut sich nicht, die alles entscheidende Frage zu stellen: Wollen wir ein Paar werden?

Möglich wäre auch, dass man die ganze Zeit einen festen Partner sucht, ständig rumtindert, auf dutzenden Dates ist, viele Affären hat – am Ende einfach unglücklich ist, weil es wieder nicht der Eine oder die Eine geworden ist. Alles total kompliziert.

Und vielleicht ist es auch so, dass man nicht sicher ist, was man selbst will: Beziehung oder nicht? Vielleicht hat man selbst auch Angst davor, eine Beziehung einzugehen. Sei es, weil man schlechte Erfahrungen gemacht hat oder weil man Zeit braucht, um die vorherige Beziehung zu verdauen.

Es ist kompliziert, wenn man selbst nicht so genau weiß, was mit dem, den man datet wird. Kann das eine ernste Beziehung werden? Oder vielleicht eher doch nur eine lockere Beziehung? Man weiß es nicht. Es ist eben kompliziert.

Generation Unverbindlich

Manche wollen sich aber auch nicht festlegen und bevorzugen eben solche Beziehungen, die nichts festes sind, die man jederzeit auch beenden kann. Immer auf der Suche nach jemanden, der noch besser zu einem passt. Doch die Suche nach dem perfekten Partner endet niemals, wenn man aufhört, sich immer umzuschauen.

Vielleicht weicht die Verbindlichkeit eben der Unverbindlichkeit, weil wir so viel stärker auf uns, unsere persönliche Entwicklung und Bedürfnisse fokussiert sind. Darum suchen wir Partner*innen, die eben genau zu uns passen. Und sobald das nicht mehr zutrifft, lassen wir sie los und suchen weiter. Das hat immer so einen bitteren Nachgeschmack, aber was ist daran verkehrt? Manche Menschen lieben das Unverbindliche, weil es ihnen so viel mehr Freiheit gibt. So viel mehr Möglichkeiten, sich selbst auszuprobieren und auszuleben.

Die heutige Generation ist nicht beziehungsunfähig, aber vielleicht eher unverbindlicher geworden. Beziehungen werden eher beendet, als es noch vor 50 Jahren war. Es sind keine lebenslangen Versprechen mehr, sondern ein Ja füreinander, was vielleicht nur 2 bis 5 Jahre hält. Beziehungen gehen eher in die Brüche, wir haben mehr Beziehungen mit unterschiedlichen Menschen.

Es ist okay, dass man den ganzen Beziehungen oder eben auch Nicht-Beziehungen kein Label gibt. Braucht man auch nicht. Man muss nichts definieren, wenn beide damit fein sind. Manchmal kann so ein Label wirklich alles verändern, vielleicht auch nur unnötig Druck machen. Es darf okay sein, wenn wir nicht sicher sind, was das eigentlich gerade ist. Zwischen Single sein und in einer Beziehung sein gibt es so viele verschiedene andere alternative Beziehungsformen, die ihre Berechtigung haben, wenn sie glücklich machen. Vielleicht ist es heute auch einfach wirklich schwieriger denn je, sich festzulegen, weil es eben auch immer ein Nein zu anderen ist, ein Nein zu mehr Freiheiten. Aber das darf eben auch sein. Es darf auch mal kompliziert sein.

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