Direkt zum Hauptbereich

Werden wir immer oberflächlicher?

 Wir werden immer oberflächlicher. Ein Satz, der mir gerade nicht mehr aus dem Kopf geht. Stimmt er wirklich?

 Was bedeutet denn eigentlich oberflächlich sein? Nur auf das Äußerliche achten, auf Dinge, die eben an der Oberflächliche sind. Wer etwas nur oberflächlich macht, macht es nicht gründlich und gewissenhaft.

Oberflächlichkeit wird eindeutig als negativ betrachtet. Die Aussage, dass wir immer oberflächlicher werden, suggeriert, dass es mit uns als Gesellschaft irgendwo bergab geht. Aber was ist wirklich dran?


Alles fake auf Social Media

Werden wir wirklich immer oberflächlicher? Mein erster Impuls ist, dem zuzustimmen. Ich meine, come on, wir leben in einer digitalisierten Welt, junge Menschen trennen heutzutage nicht mehr online und offline. Social Media prägt nicht nur unseren Alltag, sondern auch, wie wir wahrgenommen werden, was die Norm ist, was erstrebenswert ist. Und wir wissen alle, dass auf Insta und Co. Alles mehr Schein als Sein ist. Die ganzen Fitnessinfluencer*innen, die einem Produkte und Workouts verkaufen wollen, die angeblich helfen sollen, dass man so aussehen kann wie sie. Bullshit! Die ganzen Fotos von den ganzen hübschen Influencer-Stars – alles nicht wirklich authentisch. Es wird so viel gefotoshoppt und so viele Filter drauf gelegt, bis jemand makellos schön aussieht. Aber das sieht man dann tatsächlich auch.

Auf Social Media kommt es nur darauf an, wie gut du aussiehst und wie gut du dich dann auch verkaufen kannst. Von den inneren Werte brauchen wir nicht zu sprechen. Die siehst du ja natürlich nicht, alles Nebensache.

Vergleiche mit anderen hat es schon immer gegeben. Aber noch nie war es so extrem wie heute, wo du dich rund um die Uhr nicht nur mit Menschen aus deiner direkten Umgebung, sondern mit Leuten weltweit vergleichen kannst. Je mehr wir auf Insta herunterscrollen, desto mehr wird es. Es hört nicht mehr auf. Junge Menschen werden mit Fotos von bildschönen so unrealistischen Menschen bombardiert, dass sie glauben, sie müssten ja auch so aussehen. Und wenn nicht, kriegen sie Komplexe und andere Probleme.

Selbstinszenierung

Wir werden definitiv immer oberflächlicher. Es geht nicht nur um das, was wir konsumieren, sondern auch das, was wir draus machen, was wir mit Social Media machen. Ist es nicht so, dass wir diese Plattformen zu gern nutzen, um uns und unser Leben selbst gut darzustellen. Wir wollen gleichziehen mit allen anderen, die ihre aufregendsten und schönsten Momente im Leben teilen. Wir wollen nicht hinterherhinken und den Eindruck erwecken, dass bei uns tote Hose ist. Warum sonst sind wir so süchtig danach, möglichst viel von uns preiszugeben, alles in Fotos festzuhalten, nur um dies mit unseren Liebsten zu teilen. Das ist eine Sache. Aber mal ehrlich: Sehnen wir uns nicht alle irgendwie nach Anerkennung und Bestätigung? Genügt nicht schon ein Like und ein lieber Kommentar, das uns der Tag versüßt wird. Und wenn keiner darauf reagieren würde: Was würde das mit uns machen? Für einige wäre es ein halber Weltuntergang. Fehlende Bestätigung kann echt weh tun. Das alles, nur ein paar Ausschnitte aus dem eigenen Leben zu zeigen und dafür Bestätigung zu wollen – ist das nicht irgendwie oberflächlich?

Das, was wir von uns preisgeben, ist nur ein Teil dessen, was uns und unser Leben ausmacht. Es wird nie das komplexe Ganze wirklich darstellen, geht auch gar nicht. Aber viele bevorzugen, nur die positiven Seiten von sich selbst und die glücklichen Momente im Leben zu teilen. Ist ja auch nicht wirklich verwerflich, warum sollte man auch negative Vibes verbreiten wollen. Schöne, heile Welt.

Doch das führt auch dazu, dass wir quasi das Leben der anderen auch nur einseitig wahrnehmen, glauben, dass es anderen besser geht und wir die einzigen mit unseren Problemen auf der Welt sind. Es wächst der Neid auf die anderen, deren Leben so viel toller sein muss. Dabei vergessen wir oftmals, dass es nur die halbe Wahrheit ist. Mag sein, dass vieles, was gepostet wird, sicherlich der Wahrheit entspricht. Aber eben auch nicht der ganzen Wahrheit. Wir sehen nur oberflächlich, was bei anderen los ist, glauben, wir würden am Leben anderer teilhaben. Dabei kann das auch alles nur Illusion sein.


Schöne, heile Welt

Ich erinnere mich an eine Studie, die unter Pärchen gemacht wurden, die besonders viele gemeinsame Fotos von sich gepostet haben. Man glaubt, hey, bei denen läuft es super gut, die sehen so glücklich auf ihren Fotos aus. Aber die Wahrheit war: Das waren gerade die Paare, bei denen es eher Probleme gab und die sich eher trennten als solche, die nicht ständig Fotos von sich veröffentlichten. Da war also mehr Schein als Sein. Nach außen hin wirkt alles total super, aber wie es am Ende hinter dieser Fassade aussieht. Das wissen wir nicht.

Und so ist es auch bei vielen anderen Menschen auf Social Media. Es sind Selbstdarstellungen, Abbilder ihrer selbst, die entweder nur einen Teil ihres Ichs widerspiegeln oder gar vollkommen fake sind. Wir erschaffen uns übers Internet wiederum eigene Identitäten, die nicht unbedingt viel mit unserem wahrem Ich zu tun haben müssen. Es sind meist Masken, die wir aufsetzen, um den Schein zu wahren: Alles ist gut, mit mir ist alles gut, ich bin glücklich. Aber ist es nicht oftmals doch ganz anders?


Zeitverschwendung für Äußerlichkeiten

Wie viel Zeit verschwenden wir damit, jede Menge Selfies von uns zu machen. Auf Reisen ständig zu fotografieren, anstatt einfach den Moment und die wunderschöne Natur und Aussicht zu genießen. Wie viel Zeit verschwenden wir damit, uns in den Untiefen von Social Media zu verlieren. Eine parallele Welt, die nur bedingt wirklich was mit unserer Wirklichkeit zu tun hat. Alles nur konstruiert. Ich sage nicht schlecht, es ist nur anders, eben nicht authentisch. Das muss uns bewusst sein. Wie viel Zeit verschwenden wir damit, unsere Profile zu pflegen, Äußerlichkeiten, auf die es am Ende unseres Lebens nicht mehr ankommt. Alles Mögliche für Social Media zu inszenieren, und sich darin so reinzusteigern, dass wir vergessen, wie es ist, einfach nur zu leben, ohne, dass man darüber nachdenkt, wie das Ganze dann für Social Media aufbereitet werden kann.

Wie viel Zeit verschwenden wir damit, stundenlang mit unseren Liebsten zu chatten, anstatt sie einfach mal anzurufen oder spontan zu treffen? Das soziale Leben verlagert sich zunehmend mehr ins Digitale. Das wäre nicht per se schlecht, wenn es nicht dazu führen würde, dass wir immer weniger persönlich miteinander agieren.

Ist es nicht so, dass wir uns eigentlich verbundener denn je mit anderen Menschen fühlten müssten? Warum aber scheint Einsamkeit gerade in diesen Zeiten ein großes Thema zu sein? Social Media soll Menschen zusammenbringen, doch kann es durchaus auch einsam machen.

 

Oberflächlichkeit hoch zehn auf Datingapps

Ganz hart wird es mit der Oberflächlichkeit, wenn wir uns das Online-Dating anschauen. Es gibt dutzende Datingapps, die einem versprechen, superschnell die große Liebe zu finden. Wenn ich etwas als oberflächlich beurteilen muss in unserer aktuellen Zeit, dann sind es diese Datingapps. Auf keinen Fall will ich sie verteufeln, ich nutze sie selbst super gerne seitdem ich in einer offenen Beziehung bin. Solche Apps sind weder per se gut oder schlecht, es kommt drauf an, was sie Nutzenden daraus machen. Aber es lässt sich trotzdem nicht von der Hand weisen: Sie sind auf Oberflächlichkeit ausgelegt, zumindest die meisten. Klar, kann man da unglaublich tiefsinnige Gespräche führen und tolle Profiltexte mit Gehalt verfassen.

Aber seien wir ganz ehrlich: Egal wie schön sich ein Profiltext lesen lässt. Am Ende sind es doch die Fotos, die entscheidend sind. Das ist das Grundprinzip dieser Apps. Wir sortieren Menschen nach ihrer Attraktivität, kategorisieren sie, lehnen sie ab, wenn sie uns optisch nicht gefallen. Natürlich machen wir das im echten Leben auch, keine Frage. Aber da geht es nicht nur ausschließlich um Äußerlichkeiten. Da geht es um mehr. Die Ausstrahlung eines Menschen, wie der andere spricht, sich bewegt, geht und riecht und artikuliert. All das lässt sich nicht durch Bilder einfangen. Aber Datingapps reduzieren uns eindeutig auf unser Äußeres, alles andere spielt kaum eine Rolle.

Online-Dating macht uns einfach oberflächlich, allein, weil wir darauf geprimt sind, Personen nach dem Äußeren zu bewerten. Alles andere kommt später. Oder auch nicht.


An der Oberfläche schwimmen

Oftmals werden Datingapps auch mit einem Warenhaus verglichen. Du gehst hin, suchst etwas bestimmtes, klickst dich durch Profile durch, schmeißt ein Profil quasi in deinen Einkaufswagen. Sollte derjenige nicht deinen Ansprüchen genügen, wird er halt einfach wieder zurückgeben, ist also wieder frei verfügbar für den Datingmarkt. Und gewissermaßen stimmt das auch, das kann ich nicht verneinen. Durch die schier fast unendliche Auswahl an Kandidat*innen fällt es auch einfach schwer, sich zu entscheiden. Und das begünstigt eben auch wiederum Oberflächlichkeit. Wir daten herum, haben parallel mit mehreren etwas am Laufen, nehmen uns vielleicht nicht mal wirklich Zeit, die Person tiefer kennenzulernen.

Es hängt halt auch mit der schnellen Zeit zusammen, alles geht heutzutage schneller, wir haben weniger Zeit, müssen die besser einteilen. Und warum seine Zeit auch mit jemandem verschwenden, der uns nicht sofort überzeugt hat. Statt also wirklich langsam und tiefgründig zu daten, werden wir von diesen Apps dazu verleitet, eher oberflächlich herumzudaten.

Und das Ganze geht noch weiter: Am Ende fällt es uns schwer, uns wirklich auf jemanden einzulassen. Weil quasi ja immer noch um die Ecke kommen kann, der besser sein könnte. Das erschwert uns, wirklich in die Tiefe zu gehen. Stattdessen bleiben wir lieber an der Oberflächliche, weil man da eben ganz leicht auch wieder auftauchen und neue Liebespartner*innen finden kann.


Unverbindlichkeit + Oberflächlichkeit

Die Räume, in denen wir andere kennenlernen können, werden immer weniger. Online-Dating gewinnt zunehmend immer mehr an Bedeutung. Was macht das mit uns?

Ich will auf keinen Fall beurteilen, ob das jetzt gut oder schlecht ist. Ich bin selbst nicht gerade besser und beim Dating sehr oberflächlich. Aber ich suche tatsächlich auch nicht eine Beziehung, da ich bereits glücklich vergeben bin. Mir geht es nur um Sex und ja, ich gebe zu, ich möchte nur mit Menschen Sex haben, die ich wirklich super attraktiv finde, der Körper muss stimmen. Ich bin in der Hinsicht wirklich oberflächlich, aber sonst eher nicht.

Oberflächlichkeit und Unverbindlichkeit gehen meiner Ansicht nach Hand in Hand. Wer sich nicht committet und auch nicht wirklich echte Intimität erfahren will, sich nicht traut, sich wirklich auf jemanden einzulassen – der bleibt eben an der Oberfläche. Alle wollen sich noch etwas offen lassen, darum sind auch so Beziehungsformen wie Freundschaft Plus, Affären oder Situationships so beliebt. Wenig Verantwortung, Verbindlichkeit, keine tiefgründigen Gefühle – immer die Möglichkeit, das ganze schnell zu beenden, weil da nie etwas Verbindliches gegeben war. Ich frage mich, ob die jungen Menschen dadurch auch irgendwo einsamer geworden sind. Es wird ihnen nicht bewusst oder vielleicht kommen sie gut damit klar. Es reicht ihnen, wenn ihre Liebesbeziehungen eben so oberflächlich sind.

Manchmal glaube ich auch, dass sich die meisten Leute mehr mit den Äußerlichkeiten beschäftigen, weil sie sich scheuen, sich mit tiefsinnigen Dingen und sich selbst zu befassen. Es ist leichter, seinen Blick ständig nach außen zu richten statt nach innen. Denn nicht alles, was man da findet, ist wirklich schön. Sich dann lieber mit oberflächlichen Dingen zu beschäftigen, lenkt gut ab. Man vergisst dadurch, dass es vielleicht auch eine Leere in einem selbst gibt, die man dadurch glaubt zu füllen. Aber die Wahrheit ist, dass sie einen immer irgendwann einholen wird. Es ist so viel bequemer und leichter, sich in eine Scheinwelt zu flüchten, als der Realität ins Auge zu schauen. Es beruhigt für eine Zeit lang gut, aber irgendwann holt einen die Realität eben doch wieder ein.

Das alles klingt schon recht kritisch. Aber ich will hier auf keinen Fall klagen. Eine gewisse Oberflächlichkeit gehört zum Leben einfach dazu. Nur sollte es uns bewusst sein, damit wir nicht zu sehr an der Oberfläche schwimmen. Es kann sich auch lohnen, mal von Äußerlichkeiten wegzukommen und den Deep Dive zu wagen. Und vor allem kann es sich lohnen, auch mal die Maske des Perfekten abzulegen. Stattdessen authentischer zu sein, sich verletzlicher zu zeigen. Nicht irgendeine Rolle zu spielen und so zu tun als ob. Sondern wirklich wahrhaftig zu sein. Makel und Fehler zuzulassen.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Von der Seele geschrieben: Ich will mehr Sex als mein Partner

Eigentlich ist es ja meist so: Man(n) will immer mehr als die Frau. Doch viel häufiger als man denkt, ist das Gegenteil der Fall. So wie bei mir und meinem Freund. Dass das auch für mich als Frau nicht leicht ist, glauben die wenigsten. Doch was steckt dahinter?

In Erinnerungen versunken – wie mich die Nostalgie immer wieder fesselt

Es passiert nicht oft, aber immer mal wieder: Meine Gedanken driften in die Vergangenheit ab. Für nur einige Momente scheint die Welt still zu stehen. Mein Körper in der Gegenwart existent, aber meine Gedanken befinden sich auf Zeitreise mit meinen Gefühlen. Es sind Momente, in denen ich aus der Gegenwart flüchten kann, in jene Zeiten, nach denen ich mich manchmal sehne. Obwohl ich weiß, dass es nicht unbedingt bessere Zeiten waren. Warum nur?

Von der alten zur neuen Liebe: Wird jetzt alles besser?

Neue Liebe, neues Glück? Warum bei einer neuen Liebe nicht unbedingt alles ganz anders und besser wird als bei der letzten, doch so viel Chancen mit sich bringt.