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Online-Dating: Die Suche nach dem nächsten Kick

 

Ich bin ständig auf der Suche. Fühle mich wie eine Getriebene. Werde nie wirklich satt. Ich frage mich: Was suche ich da eigentlich? Wonach strebe ich? Ich weiß: Ich will den Rausch, ich will die Euphorie, ich will auf Wolke 7 schweben. Doch ist das wirklich gut?

 
Schon seit einiger Zeit bemerke ich bei mir, dass ich quasi schon etwas süchtig bin. Süchtig nach dem nächsten Dopaminkick. Ich swipe so viel und so oft am Tag. Es ist eigentlich wahllos. Ich bräuchte es eigentlich nicht. Es gibt genug Kandidaten. Genug Männer, die mich begehren, mit mir schlafen wollen. Und ich finde sie alle irgendwie ganz gut, ganz okay, aber irgendwie auch nicht.

Ich swipe und swipe mich quasi durch die gesamte Stadt. Ich kann nicht mehr aufhören. Es macht einfach zu süchtig. Und noch einer, und noch einer. Aber das ist jetzt erstmal der letzte, dann höre ich auf. Und mache doch weiter. Tinder hat es drauf, Menschen bei Stange zu halten. Klar, die wollen ja auch an uns verdienen. Die sind nicht wirklich daran interessiert, dass wir die große Liebe finden. Die wollen doch, dass wir am besten für immer da hängen bleiben und ewig weiter swipen.

Es ist wie ein Glücksspielautomat. Der nächste könnte vielleicht DER EINE sein. Dabei bin ich gar nicht auf der Suche nach dem Einen. Ich habe diesen Einen schon gefunden. Ich bin so glücklich mit ihm, wie mit keinem anderen Mann zuvor. Er ist mein Jackpot, mit ihm will ich zusammen sein, mein Leben teilen.

Aber tief in mir drin, suche ich doch noch diesen Einen. Nicht den einen, mit dem ich eine Beziehung eingehen will. Ich suche den Einen, der ich überwältigt. Der mich komplett aus der Fassung bringt. Der in mir das Verlangen nach viel viel mehr auslöst.

All die Dates, die ich zuvor hatten, waren nett, aber irgendwie auch belanglos. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr verblassen die Erinnerungen daran. Ich kann nicht mal mehr sagen, was wir erzählt haben. Unsere Gespräche, unsere Küsse haben sich nicht in mein Gehirn gebrannt. Ich will etwas ganz anderes.

 

Das eine Date, was ich nie vergessen werde

Es gab dieses eine Date mit Marc, das ich nie wieder vergessen werde. Es war alles so perfekt. Wir haben uns super verstanden, unser Gespräch war so im Flow. Ich fühlte mich so wohl mit ihm und er sich auch mit mir. Es hat in echt also echt gut gematcht. Und dann dieses so überwältigende Verlangen, ihn zu küssen, ihm ganz nah sein zu wollen. Unser erster Kuss – ein Traum. Viele weitere Küsse folgten. Wir konnten nicht mehr aufhören. Es war so, als wäre ich in Trance gewesen, in einem echten Rausch. Ich konnte und wollte nicht mehr aufhören. Zu sehr wollte ich seine Lippen auf meinen spüren, mit seiner Zunge spielen, meine Hände überall auf seinem Körper haben. Mich mit ihm verschmelzen. Wenn ich von „es hat gefunkt“ spreche, dann war es genau das und nichts anderes.

Es lief so gut, ich hatte so ein gutes Gefühl, dass er es auch so fühlte und mich wollte. Aber ich habe mich geirrt. Ich war mit meinem Gefühl allein. Enttäuscht und verletzt. Ich begann, an meiner Wahrnehmung und meinen Gefühlen zu zweifeln. Wie konnte ich so daneben liegen? Wie konnte ich mich auf so jemanden so emotional einlassen, der mich am Ende nur hingehalten hat und mich dann bei nächster Gelegenheit weggeworfen hat, als er wen besseres gefunden hat?

Eigentlich sollte es mich nicht aufregen. Ich bin nicht auf der Suche nach der großen Liebe. Ich habe sie schon gefunden. Aber ich bin auf der Suche nach dieses Hochgefühl. Wenn man verliebt ist und an nichts anderes mehr denken kann. Wenn man vor Aufregung nicht mehr still sitzen kann. Wenn man ein Lächeln nicht mehr von den Lippen bekommt. Genau das. Das ist es, was ich suche.

Und diese Spannung beim ersten Date, die nicht mehr auszuhalten ist. Ich will spüren, dass ich jemanden so richtig begehre, so richtig will. Ich will das Gefühl haben, dem anderen die Klamotten vom Leib zu reißen. Ich will dieses unbändige Verlangen haben, ganz schnell mit ihm eins zu werden. So sehr, dass ich es nicht mehr aushalten kann. Leidenschaft und Gefühlsexplosion pur. Als ob ich auf Drogen wäre, komplett high und nicht mehr runterkomme.

Und genau das hatte ich bei diesem einen ersten Date mit Marc. Und danach eigentlich nie wieder. Ich habe so viele andere Männer getroffen, die sicherlich alle total lieb waren und nicht solche Arschlöcher wie er waren. Und trotzdem hat es irgendwie nicht wirklich gefunkt. Es gab eine Anziehung, sie war da und die Küsse waren gut. Aber mehr auch nicht. Mit „gut“ will ich mich aber nicht länger zufrieden geben.

All die Zeit habe ich weiter gedatet, Männer quasi gesammelt wie Trophäen. Sie mir warm gehalten, für den Fall, dass ich doch irgendwann mal jemanden zum Sex brauche. Und das ist mir erst jetzt so wirklich klar geworden. Dass ich eigentlich mit keinem dieser Männer so wirklich richtig Bock hatte, Sex zu haben. Ich konnte es mir schon vorstellen und es wäre okay gewesen. Aber keinem dieser Männer war jemals das Gefühl da: Das ist er! Mit dem will ich unbedingt schlafen!

Und das erklärt auch gerade, warum ich trotz so großer Auswahl, nicht mit einem nach dem anderen ins Bett gehe. Ich könnte es. Und die hätten auch alle richtig Bock, keine Frage. Aber irgendwie will ich nicht.


Warum fehlt die Euphorie?

Ich habe mich nach einigen dieser Dates, bei denen ich mich mit den Männern so gut verstanden habe, immer gefragt, warum ich trotzdem nicht diese Euphorie spürte. Weil es einfach körperlich und sexuell nicht passte. Ich fand sie schon anziehend, aber nicht anziehend genug, dass ich sie unbedingt wollte. Und darum war mein Gefühl auch nach den Dates so mittelmäßig. Darum war mein Antrieb auch nicht so groß da, sie zu treffen. Darum auch diese Unsicherheit bei der Frage: Will ich sie wirklich wiedersehen? Und will ich wirklich mit ihnen schlafen?

Erst vor paar Tagen konfrontierte mich einer meiner Dates damit. Dass er es nicht okay fände, dass ich ihm nicht rechtzeitig gesagt habe, dass es noch lange dauern wird, bis wir uns mal zum Sex sehen. Weil ich noch so viele andere Männer habe, die vor ihm dran kämen. Er müsse wie bei einer Behörde ewig lange auf einen Termin warten. Das hat ihn frustriert, er wäre anders an die Sache rangegangen, wenn er das früher gewusst hätte.

Ich war nicht ganz ehrlich. Die Wahrheit ist nicht, dass ich erstmal die Männer abarbeite, mit denen ich mich vorher getroffen habe. Ich zweifle gerade daran, dass ich das jemals machen werde. Die Wahrheit ist, dass ich eigentlich gar keine Lust mehr habe, diese Männer zu treffen. Weil sie mir nicht das Gefühl gegeben haben, was ich bei Marc so stark gespürt habe. Ich will das Gefühl wieder fühlen. Und darum zweifle ich, ob es Sinn macht, mit diesen Männern überhaupt etwas zu haben, wenn ich es einfach nicht fühle.

Und eine andere Sache: Ich treffe einfach so unglaublich gern andere neue Männer. Es sind die ersten Treffen, die mir so eine Euphorie verschaffen, die mir den nächsten Kick geben. Ob ich sie danach weitertreffe oder nicht, ist mir zunächst erst einmal nicht wichtig. Und darum kann ich damit nicht aufhören, auch wenn ich weiß, dass ich quasi schon genug andere Männer habe, die mit mir schlafen wollen. Solange es nicht dieser eine ist, höre ich nicht auf, zu suchen.

Zweifel sind da, weil sie uns auf etwas hinweisen. Etwas, was nicht passt. Und in dem Falle hat es körperlich nicht gepasst. Es waren zwei super spannende und tolle Menschen, mit denen man sicherlich gut reden und was unternehmen konnte. Zwei tolle Männer, aber irgendwie nicht fürs Bett.

Eigentlich kann ich mir selbst erklären, warum ich trotzdem weiter swipe, auch wenn ich schon genug Männer zur Auswahl habe: Ich bin damit nicht zufrieden. Ich suche nach jemand besserem. Jemandem, der mich so wirklich von den Socken haut. Der mich komplett fasziniert. Der mich alle anderen Männer (außer natürlich meinen Freund) vergessen lässt.

Ich dachte immer, dass es mir darum geht, mit möglichst vielen Männern zu schlafen, viele ONS zu haben, Erfahrungen zu sammeln. Das ist nicht die ganze Wahrheit.

Mein Herz sagt mir gerade, dass das nicht stimmt. Ich suche nach dem Gefühl, nach diesem High, nach diesem Kick, nach Verliebtheit. Ich suche nach einem Menschen, der mir das wieder gibt.

Ich wollte Sex immer von Gefühlen in der offenen Beziehung trennen. Aber scheinbar will das mein Herz nicht. Der beste Sex ist der mit Gefühlen. Bin ich vielleicht insgeheim doch auf der Suche nach mehr als nur unverbindlichen Sex?

Ich bin auf der Suche nach dem perfekten, leidenschaftlichen Date. Nach dem Gefühl der Verliebtheit, der Euphorie. Ich bin süchtig nach diesem Dopaminkick, den Rausch, wenn ich leidenschaftlich mit einem Mann küsse.

Ich glaube, dass ich meine Ansprüche erhöhen sollte und vor allem offener und vorher schon kommunizieren sollte, wenn ich es nicht fühle und nicht weitergehen will.

Das macht mich nicht besser als all die Fuckboys, die eine lange Warteliste haben und einen benchen, wenn sie eine bessere Möglichkeit bekommen.

Ich bin also nicht anders als die anderen. Ich bin immer auf der Suche nach jemand tollerem, mit dem besser klappen könnte.

Ein Dopamin-Junkie, wie es im Buche steht. Ich bin dem Mechanismus der Datingapps verfallen. Denn ich will mich nicht mit Durchschnitt zufrieden geben, ich will mehr als das.

Ich will mich nicht länger weiter mit Männern treffen, bei denen es mir egal ist, ob es weiter geht oder nicht. Ich will auch niemanden mehr weiter benchen. Vielleicht liegt es mir auch nicht, mich auf so viele andere Männer zu konzentrieren, mehrgleisig zu fahren. Vielleicht würde es besser passen, sich auf wenige oder einen zu fokussieren, dann aber richtig.

Ich will einen Mann treffen, bei dem ich mir denke: Den muss ich unbedingt wiedersehen. Ich will das nächste Treffen kaum abwarten können, will mich nach ihm sehnen, will Kopfkino haben, wie wir es immer und immer wieder tun. Will mir Hoffnungen machen, dass es etwas längerfristiges werden kann.

Ich muss meine Erwartungen ein wenig anpassen, meine Ansprüche erhöhen. Lieber Qualität, statt Quantität. Das ganze Rumgedate stumpft mich langsam ab. Irgendwie glaube ich, dass jedes weitere Date seinen Reiz mehr verliert, wenn ich nicht wirklich dabei bin. Wenn ich nicht denke, dass ich denjenigen unbedingt kennenlernen will. Ich will keine halben Sachen mehr machen.

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