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Am Ende sind wir alle allein

Ein Gespräch mit meiner Freundschaft Plus hat mich neulich sehr nachdenklich gemacht. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, warum er nicht weiter datet, warum er keine anderen Menschen trifft, keine Freund*innen hat. Er meinte, er sei glücklich allein, brauche niemanden. Das irritierte mich wirklich sehr, war unvorstellbar für mich: Kann man nur mit sich allein, ohne jegliche Beziehungen, wirklich glücklich sein?

Es heißt in Studien doch so oft, dass gerade Beziehungen, ob die zu einem Partner, zur Familie oder zu Freund*innen den Faktor ausmachen, der uns glücklich macht. Es sind nicht die materiellen Dinge, die uns wirklich erfüllen, sondern die Kontakte und Beziehungen zu anderen Menschen. Weil wir Menschen einfach auch Herdentiere sind, wir brauchen Kontakt und Nähe zu anderen.

Natürlich gibt es Menschen, und ich zähle mich auch dazu, die auch gut mal allein sein können. Aber ich brauche auch täglich meine Dosis soziale Kontakte, für mein persönliches Wohlbefinden treffe ich meine Freund*innen jede Woche. Und ohne meinen Partner würde ich mich schon ziemlich einsam fühlen.

Und hier ist der Haken: Ist es nicht irgendwo nicht nur ein Bedürfnis, sondern auch eine gewisse Abhängigkeit, die ich da verspüre? Wenn ich diese sozialen Kontakte nicht habe: Werde ich dann nicht super unglücklich?

Als mir meine F+ sagte, dass es für khn absolut okay ist, keine Freund*innen zu haben, wurde ich stutzig. Ich stellte das komplett in Frage: Denn ich konnte nicht glauben, dass man so komplett ohne jegliche Bekanntschaften oder Freundschaften so wirklich glücklich sein kann. Fehlt da nicht etwas? Fühlt er sich denn gar nicht einsam? Klar, hat er Kolleg*innen und Mitschüler*innen, aber das sind ganz sicher keine engen Kontakte. Reicht ihm das quasi schon als sozialer Kontakt aus? Braucht er nicht mehr?

Ich kann mir vorstellen, dass es Menschen gibt, die nicht viel sozialen Kontakt brauchen. Aber wenigstens 1-2 Menschen wenigstens, mit denen sie sich austauschen können, mit denen sie enger sind und denen sie sich anvertrauen können. Jetzt hat er mich quasi als eine Art Freundin. Aber vor mir war da niemand.

Er hat zwar noch einen Freund in der Heimat, den er selten trifft. Und ja natürlich auch Familie, die er aber auch kaum sieht und wo der Kontakt mal mehr oder weniger vorhanden ist. Er wohnt komplett allein. Und er fühlt sich nicht einsam. Irgendwie will mir das einfach nicht in meinen Kopf. Ich kann mir ein Leben ohne Partner oder jemanden, mit dem ich romantisch verbunden bin und ohne Freund*innen und ein soziales Netzwerk einfach nicht vorstellen.

Und vielleicht begehe ich da schon einen Denkfehler: Nur weil ich mir das nicht vorstellen kann, muss das nicht bedeuten, dass es nicht gehen muss. Ich habe quasi nur das, was ich kenne und selbst praktiziere auf ihn übertragen. Ohne mir bewusst zu werden, dass er einfach auch ein komplett anderer Mensch ist.

Wir sind beide sehr ruhig, aber ich würde von mir aus sagen, dass ich nicht immer so introvertiert bin. Ich brauche mehr soziale Kontakte und mir reicht es, nur einige Stunden für mich zu sein. Am liebsten bin ich unter Menschen. Und das unterscheidet uns sehr voneinander.

Der zweite Denkfehler: Alleinsein ist Einsamkeit. Das ist die Gleichung, die ich sonst immer komplett hinterfrage, weil ich weiß, dass es nicht das Gleiche ist. Aber bei ihm denke ich mir so: Er hat einfach niemanden und dann ist er allein. Da muss er doch zwangsläufig auch einsam sein. Aber wer sagt das? Wie kann ich es wagen, das zu behaupten. Ich kann doch nie in den Kopf anderer reinschauen und schon gar nicht die Gefühle genau nachempfinden.

Auf der Suche nach sich selbst

Und wisst ihr, was der Grund für sein selbst gewähltes Alleinsein ist? Er will lernen, mit sich selbst glücklich zu sein. Nicht mehr von anderen abhängig zu sein. Er sieht es als eine Art Selbstfindungsphase, um herauszufinden, wer er ist, was er will, was ihn ausmacht, wohin seine Reise gehen wird. Denn vorher war er in einer Beziehung, in der er sich quasi selbst irgendwie verloren hat. In der er nur das getan hat, was auch seine Freundin mochte. Ohne Hobbys zu haben, die er nur exklusiv für sich hat. Ohne auch Hobbys zu haben, an denen er Freude hat und denen er alleine nachgehen kann.

Und darum datet er nicht. Weil er seinen Fokus auf sich legen will und sich nicht wieder in einer anderen Person verlieren will. Und Freund*innen scheint er nicht zu brauchen. Er geht Hobbys nach, die er auch gut allein hinbekommt, wie Fahrrad fahren, kochen, backen, Serien schauen und Bücher lesen.

Vielleicht ist er auch einfach eine Person, die sich sonst überangepasst, wenn sie mit anderen zusammen ist. Die sich nicht fragt, was will ich? Sondern die das macht, was die anderen auch tun. Unabhängig davon, ob es ihm selbst Spaß macht und er gerade darauf Bock hat.

Und insofern kann ich das jetzt auch gut verstehen, warum er das tut. Er genießt es zum Einen, aber er will sich dadurch auch selbst besser kennenlernen.

Das löst in mir unterschiedliche Gefühle aus. Zum einen war da sicherlich ein wenig Mitleid, weil ich erst dachte, dass er doch einsam sein muss. Aber je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr zeigt sich auch ein bisschen Neid: Ich bin etwas neidisch darauf, dass er es schafft, mit sich allein so gut klar zu kommen. Dass er mit sich allein zufrieden ist und niemanden braucht.

Er will ein Leben führen, in dem er selbst der Mittelpunkt ist, und die anderen Menschen quasi noch als Zusatz dazu kommen. Er will so mit sich allein glücklich sein. Und nicht Menschen brauchen, um glücklich zu sein. Ein interessanter Ansatz allemal.

Ich finde es stark, dass er das versucht. Ich könnte das nicht. Ich glaube, dass ich in der Hinsicht einfach zu sehr den Kontakt zu anderen liebe und darin aufgehe. Ich wünschte, ich könnte mehr so sein wie er. Dann würde nicht alles so viel von den anderen abhängen. Ich könnte mich selbst als wertvoll und liebenswert sehen, ohne, dass ich einen Freund an meiner Seite haben muss, der mir das stetig bestätigt. Ich könnte wie er unabhängig werden. Auch wenn alle einen verlassen, wäre es nicht schlimm: Ich habe immer noch mich.

 

Ich bin für mich da – egal was kommt

Und da wird es mir schlagartig bewusst: Wir haben eigentlich nur uns. Wenn alle Stricke reißen, wenn einfach jeder sich von uns abwendet. Sind wir trotzdem nicht allein. Wir müssen nicht einsam sein. Wir haben immer noch uns.

Ich bin die wichtigste Person in meinem Leben. Ich bin die Person, die immer für mich da ist, egal, was passiert. Ich werde mich niemals belügen, betrügen oder in irgendeiner Weise verletzen. Denn ich habe es selbst in der Hand. Auch wenn alle anderen Menschen mich enttäuschen, ich werde mich nicht enttäuschen. Ich bleibe trotzdem mir selbst treu. Ich bin die einzige Person, die in den schlimmsten Zeiten bei mir war, als es niemand war. Ich bin die Person, die mich getröstet hat, wenn es mir nicht gut ging, wenn ich mit dem Leben haderte. Ich war es, die mich immer wieder aus dem Loch herauszog, in das ich gefallen war. Ich war es, die mich gestärkt habe, weiterzumachen, anstatt aufzugeben. Die mir gut zuredete, wenn ich kurz davor war, mir das Leben zu nehmen. Niemand sonst war für mich da. Aber ich war es.

Während ich diese Zeilen schreibe, wird mir schwer ums Herz, ich fange an zu weinen, weil mich diese Sätze so tief berühren. Weil es mich so hart tief in mir berührt. Weil es einfach wahr ist.

Wenn sich die ganze Welt gegen mich verschworen hat, bin ich trotzdem nicht allein. Denn ich habe noch mich.

Und nein, das hat nichts mit Schizophrenie oder Ähnlichem zu tun.

Die Beziehung zu mir ist die wichtigste überhaupt in meinem Leben. Ich bin es, die mich immer begleiten wird.

Ist es nicht so, dass wir immer nur im Außen nach Bestätigung durch soziale Kontakte suchen, weil wir mit uns selbst keinen Frieden schließen können? Weil wir uns selbst nicht so akzeptieren und lieben können, wie wir sind. Brauchen wir nicht deswegen auch Menschen, die uns den Spiegel vorzeigen: Schau her, du bist liebenswert und wertvoll, du hast es verdient geliebt zu werden.

Wieso müssen wir diesen Umweg nur gehen und uns von anderen abhängig machen? Warum können wir nicht selbst erkennen, wie wichtig und liebenswert wir sind? Wir

Denn seien wir ehrlich: Ich bin es, die immer da ist, die alles miterlebt, die mich ein Leben lang begleitet. Niemand kennt mich so gut wie ich mich selbst. Ich werde mich selbst niemals los. Warum nicht also Freundschaft mit mir schließen? Und mich selbst annehmen, wie ich bin. Mich selbst als gute Freundin betrachten.

Denn am Ende sind wir alle allein. Auch wenn wir umgeben von Menschen sind: Niemand wird uns wirklich verstehen, niemand kann uns in den Kopf oder ins Herz schauen. Niemand wird genau wissen, wie wir fühlen und wie wir das Leben wahrnehmen als wir selbst. Darum ist die Beziehung zu uns selbst auch so wertvoll. Darum sind wir auch die wichtigsten Menschen für uns. Wir übernehmen für uns Verantwortung, wir sind auf der Welt, um uns selbst zu finden und unseren Weg zu gehen.

Am Ende sind wir alle allein. Wenn der Tod naht, gibt es niemanden, der uns begleitet, außer wir selbst. Jeder stirbt für sich und allein. Und wäre es da nicht schön, wenn wir uns selbst gefunden haben, wenn wir Frieden mit uns schließen? Und sagen können: Ich liebe mich selbst und kann jetzt in Frieden gehen. Lebensmission erfüllt.

Und so schließt sich der Kreis. Meine F+ ist auf der Suche nach sich selbst, will das Glück in sich finden, unabhängig werden. Und zufrieden sein mit sich allein. Vielleicht sehne ich mich auch danach, mich loszumachen von all den Abhängigkeiten. Vielleicht sollte ich auch weniger nur im außen suchen, sondern öfter auch mit mir allein sein.

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