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Beziehungen: Warum „für immer“ und „bis ans Lebensende“ schwierig und nicht mehr zeitgemäß ist

Neulich hat mich ein guter Freund gefragt: „Kannst du dir vorstellen, mit deinem jetzigen Partner „für immer“ zusammen zu sein?“ Eine Frage, die mich dazu brachte, meine Vorstellung von Liebe zu hinterfragen.  

 
Für immer“ oder „bis ans Lebensende“. Das sind so Worte, die man mit dem Partner fürs Leben verbindet. Der Partner, der Eine, mit dem man durch dick und dünn gehen will, mit dem man alt werden will. Den man niemals verlieren will, koste es, was es wolle.

Ich glaube irgendwie nicht mehr so wirklich daran, dass es diesen Einen gibt.

Das war nicht immer so. Als ich frisch in meine erste Beziehung kam, dachte ich: Das wird ewig so halten. Das ist etwas, das geht niemals vorbei. Ich dachte wir beide, unsere Beziehung wäre unzerstörbar, unbesiegbar, würde niemals enden. Es passte damals alles so gut. Alles war wie ein Traum, der niemals für mich enden sollte. Wir waren viele Jahre zusammen, haben viele Höhen und Tiefen überwunden, tolle Momente geteilt und so manche Krise überstanden. Gestärkt sind wir daraus hervorgegangen. Es gab immer wieder diese Momente, in denen ich zu zweifeln anfing: Ist es das wirklich? Ist das alles? Oder gibt es nicht mehr? Doch ich entschied mich zu bleiben. Allerdings nicht für immer.

Der „Ja“ zum Heiratsantrag und das Ja-Wort vorm Altar waren von Anfang nie eine Garantie dafür gewesen, dass unsere Liebe für immer halten wird.


Der Traum von der ewigen Liebe

Viele von uns träumen davon, diesen einen Menschen zu finden, mit dem sie alt werden können. Doch so viele von uns finden diesen Menschen nicht. Und sind deswegen enttäuscht, tot unglücklich, glauben, sie hätten in Liebesdingen versagt. Aber das stimmt nicht. Wir machen uns damit nur selbst zu großen Druck und glauben, wir müssten solch einen Lebenspartner finden, um glücklich zu sein. Aber sind wir nicht genauso glücklich mit jedem neuen Partner in jeder neuen Beziehung? Nicht immer gleich glücklich, immer wieder anders. Aber trotzdem bedeuten uns diese Menschen etwas und die Zeit, die wir mit ihnen verbringen. Auch wenn es nichts für die Ewigkeit ist.

Früher dachte ich, dass meine erste Liebe für immer halten wird. Wie naiv ich doch war. Wir alle glauben das, wenn wir unsere erste große Liebe gefunden haben. Doch die Realität ist eine andere.

Mag sein, dass Menschen vor 50 Jahren noch bis an ihr Lebensende zusammengeblieben sind. Aber ich frage mich: War es wirklich aus Liebe? Oder nicht eher aus Gewohnheit? Oder gar aus Zwang? Aus finanzieller oder anderer Not? Oder weil eine Trennung und Scheidung eher geächtet wurde? Um den Schein zu wahren? Ich will gar nicht leugnen, dass es ganz sicher auch glückliche Beziehungen gab und gibt, die ein Leben lang halten können. Aber ich bin nicht so naiv zu glauben, dass es die Mehrheit betrifft. Es ist nach wie vor eine Seltenheit. Doch nur weil wenige Menschen dieses Glück erfahren können, bedeutet es nicht, dass alle anderen Pech haben. Sie finden auch ihr Glück, aber auf eine andere Art und Weise.


Für immer“ ist einfach unvorstellbar

Als mein guter Freund mich fragte, ob ich mir vorstellen könnte, mit meinem Partner für immer zusammen zu sein, musste ich nicht lang zögern: „Ich glaube nicht an „für immer.“ Wisst ihr, „für immer“ ist so eine Zeitdimension, die ich mir absolut nicht vorstellen kann. Das ist auch so eine unglaublich lange Zeit. Eine Zeit, die von Unwissenheit, großen Veränderungen meines Lebens, der Welt und der Beziehung geprägt sind. Woher soll ich das wissen, ob es „für immer“ halten wird? Es gibt keine Garantie. Selbst wenn ich heute denke und mir vorstelle, ja, das könnte für immer halten. Dann ist es nie Gewissheit. Es ist eine nette Vorstellung, die immer mit einem „Vielleicht“ verbunden ist.

Ich will ganz ehrlich sein: Ich kann es mir nicht vorstellen, mit einer Person „für immer“ zusammen zu sein. Nach dem meine erste Beziehung zerbrach, wurde ich der Illusion einer ewig währenden Liebe beraubt. Oder besser gesagt: Die Illusion hat sich von allein aufgelöst. Man muss erst einmal die Erfahrung gemacht haben, um zu wissen, wie es ist. Von meiner Vorstellung einer unbesiegbaren ewigen Liebe habe ich mich verabschiedet. Stattdessen bin ich erwachsen geworden und realistischer: Die Liebe kann lange halten. Aber für immer? Das halte ich für unwahrscheinlich. Selbst wenn sich Paare zusammen weiterentwickeln und viel für die Beziehung tun – das alles garantiert nicht eine Ewigkeit.

Die Vorstellung einer lebenslangen Beziehung wertet quasi alle anderen Beziehungen, die nicht so lange halten, ab. Als wären diese eben nichts wert, gescheitert. Alles oder nichts. Es gibt nichts dazwischen. Aber das ist falsch und kein Wunder, dass wir uns deswegen so unglücklich machen, wenn wir das glauben. Eine lebenslange Beziehung verdrängt, dass zu jeder Beziehung auch ein Ende dazu gehört. Selbst zu denen, die lebenslang halten. Irgendwann enden Beziehungen immer. Und das kann sehr wohl etwas Gutes sein.

Ist die Monogamie nicht zum Scheitern verurteilt?

Aber ich will gar nicht pessimistisch werden und darum sagte ich meinem guten Freund: „Ich kann mir zwar kein „für immer“ vorstellen. Aber ich kann mir vorstellen, eine sehr sehr lange Zeit mit meinem Freund zusammen zu sein. Ich will nicht an das Ende denken, sondern das genießen, was wir jetzt miteinander haben. Egal, wie lange die Beziehung halten wird.“

Hätte ich das gerne, dass unsere Beziehung für immer hält? Tief in mir sehne ich mich schon danach. Es wäre schon schön, jemanden zu haben, mit dem man sein Leben verbringt. Und ich sehe sehr viel Potenzial in meinem Partner und in unserer Beziehung, dass das mit uns sehr lange halten kann, eine echte Zukunft hat.

Aber wie so oft weiß ich auch, dass das Leben voller Überraschungen und seltsamer Wendungen steckt. Man weiß nie, was noch kommen wird. Was das Leben noch bereit hält.

Alternativen zur lebenslangen Monogamie

Ich denke auch, dass wir Menschen eigentlich nicht wirklich für Monogamie gemacht sind. Wir sehnen uns danach, aber eigentlich leben wir alle eher seriell monogam. Das bedeutet, dass wir immer treu sind in unseren aktuellen Beziehungen, aber eben mehrere Beziehungen hintereinander führen. Beziehungen enden irgendwann einmal und meist auch bevor wir sterben.

Wir haben für uns entschieden, dass wir einen anderen Weg gehen wollen, indem wir nicht monogam leben. Um zu schauen, ob es so vielleicht ein wenig besser funktioniert. Damit die Liebe nicht daran scheitern muss, wenn ich mich auch nach anderen sehne. Oder das eigene Sexleben einschläft und man dadurch unzufrieden ist.


Zwischen „für immer und ewig“ und Situationships

Ich finde es interessant, wie unterschiedlich die einzelnen Präferenzen der Generationen sind, wie weit sie voneinander entfernt sind. Während ich noch zu der Generation gehöre, die verbindliche Beziehungen sucht und gerne einen Partner hätte, mit dem ich alt werden will, ist die Generation Z komplett anders.

Da sind neue Beziehungsformen, die unverbindlicher sind und eine gewisse Flexibilität zulassen. Es geht nicht mehr um große Sicherheit und Verbindlichkeit, um die Liebe fürs Leben. Es geht vor allem doch um die eigene Selbstfindung und Selbstoptimierung. Das spiegelt sich auch in den Beziehungen wider. Es sind keine wirklichen Beziehungen mit Verantwortung und Comittement. Sie sind nicht mehr auf Stabilität und auf die Zukunft ausgerichtet, sondern auf das Hier und Jetzt. Darauf kommt es an.

Unverbindliche Beziehungen lassen mehr Freiraum zu, man kann sich mehr auf sich selbst konzentrieren. Und gleichzeitig ist man ungebunden und kann mit mehreren Menschen anbandeln, ausprobieren, ob es mit Person X oder Y besser passt, ohne sich einschränken zu müssen. Man holt sich Intimität und Sex von Freundschaft +, Affären oder Situationships. Letztere beschreiben eben genau die Art von Beziehung, die Generation Z am liebsten hat. Beziehungen, wo klar ist, dass sie nur momentan halten werden. Aber nichts für die Ewigkeit sind.

Es geht nicht mehr um ernste Beziehungen, bei denen man großartig in die weite Zukunft schaut. Die jungen Menschen wollen das Leben genießen, den Moment feiern. Sind sich aber bewusst, dass die Zeiten sich ändern und auch die schönen Momente vergehen. Darum sind auch die Beziehungen nicht von langer Dauer. Das macht vielleicht auch ihren Reiz aus.

Ich finde es spannend, wie groß die Welten zwischen der Liebe fürs Leben und den Situationships sind. Während erstere ganz viel Verbindlichkeit und Zukunftsplanung umfasst, fehlt das bei den Situationships vollkommen. Keine der beiden Beziehungsformen ist deswegen besser oder schlechter. Es kommt immer auf die individuellen Präferenzen an.



Nicht mehr zeitgemäß

Ich glaube nur, dass die Vorstellung von einer Beziehung, die bis ans Lebensende hält, einfach nicht mehr zeitgemäß ist. Dafür sind wir Menschen einfach viel zu sehr im Wandel, viel zu sehr auf uns fokussiert und nicht mehr davon abhängig, aus welchen Gründen auch immer, für immer zusammen zu bleiben. Menschen haben heutzutage einfach viel mehr Auswahl und müssen nicht unbedingt sich durch Beziehungskrisen kämpfen, wenn es doch einfacher ist, zu gehen. Wenn man denkt, dass es da draußen auch noch jemand anderen gibt, der gut zu mir passen würde oder vielleicht besser. Warum sich also unnötig lang quälen und einfach jemand anderen wählen? Darum ist auch die serielle Monogamie auch so attraktiv. Weil sie den sich verändernden Wünschen und Bedürfnissen der Menschen eher entspricht, als die eigentliche lebenslange Monogamie.

Früher hat man Beziehungen vielleicht mal aus Liebe weitergeführt, sondern weil es die Gesellschaft wollte, weil die Frau kaum allein klar kam, weil man es so gemacht hat. Es ging dabei nicht unbedingt um das eigene Glück. Man durfte nicht wählerisch oder egoistisch sein, ist vielleicht aus anderen Gründen zusammengeblieben. Doch heute ist es nicht verwerflich, wenn wir uns nach kurzer Zeit wieder trennen und einen neuen Partner finden.

Vielleicht sollten wir uns von der einen große Liebe im Leben verabschieden? Es gibt doch mehr Menschen, die zu uns passen. Und nur weil wir eben nicht diese eine große Liebe fürs Leben finden, bedeutet das nicht, dass wir in Sachen Liebe gescheitert sind.

Wir können trotzdem schöne und erfüllende, glückliche Beziehungen mit unterschiedlichen Menschen führen.

Nur weil eine Beziehung eben nicht für immer hält oder auch nicht mal unbedingt lange, ist sie doch lange nicht bedeutungslos gewesen. Sie ist trotzdem etwas wert gewesen. Und eine Trennung bedeutet nicht das Scheitern eine Beziehung. Es hinterlässt so ein unschönes Gefühl, wenn man nach jeder Beziehung von einem Scheitern spricht. Als ob alles umsonst gewesen wäre, nur weil es die Beziehung nicht geschafft hat, bis ans Lebensende zu halten. Was für ein Bullshit.

Die einen mögen eine wirklich lebenslange Beziehung führen, während viele andere eben kürzere Beziehungen haben, die aber deswegen nicht weniger schlecht oder erfüllend sind. Auch kürzere Beziehungen haben ihren Wert und prägen uns und unser Leben. Am Ende kommt es vor allem auch auf die Vielfalt und den Reichtum der Erlebnisse an und die Spuren, die wir im Leben und in der Welt hinterlassen.

Ich gehe nicht mehr an Beziehungen heran und erwarte, dass sie möglichst ein Leben lang halten. Das würde auch einfach viel zu viel Druck machen. Und nicht, dass ich aus falschen Gründen, wie damals in meiner ersten Beziehung, zu lange und unglücklich in einer Beziehung verharre. Ich erwarte nichts, ich möchte mich nur auf das Hier und Jetzt konzentrieren und sicherlich auch ein wenig in die Zukunft schauen. Aber nicht zu weit, das würde ja auch nicht wirklich was bringen. Denn seien wir ehrlich: Wir wissen alle nicht, was noch auf uns zu kommen wird. Warum also so viel in der Zukunft sein und nicht lieber den Moment genießen?

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