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Emotionales vs. körperliches Fremdgehen: Was ist schlimmer?

Was ist schlimmer? Wenn der Partner körperlich fremdgeht, also Sex mit jemandem hatte, für den er aber absolut gar nichts empfindet? Oder wenn er eine andere Person liebt, total viel Zeit mit ihr verbringt, ihr Dinge erzählt, die eigentlich in eine Beziehung gehören – aber nichts körperlich läuft? Eine echt schwierige Frage. Zumal noch ein Aspekt sehr unklar ist: Ab wann fängt emotionales Fremdgehen eigentlich an?

Was – körperliches oder emotionales Fremdgehen – finde ich schlimmer? Beides ist einfach grausam. Betrug jeglicher Art tut einfach höllisch weh, würde die Beziehung komplett in Frage stellen. Ich wüsste nicht, ob ich meinem Partner verzeihen könnte. Es kommt natürlich beim körperlichen Fremdgehen immer auf die Umstände an. War es nur ein Ausrutscher oder ist es regelmäßig passiert? Einen Ausrutscher könnte ich womöglich noch verkraften. Aber eine längere Affäre würde mir schon echt total wehtun. Dann fiele es mir echt schwer, noch an die Beziehung zu glauben, an ihr festzuhalten.

Aber mal Klartext: Was wäre denn unverzeihlicher? Wenn mein Partner fremdfickt oder sich in jemand anderes verliebt und diese Gefühle zumindest emotional, aber nicht körperlich auslebt?

Was ist verzeihbarer?

Nachdem mein Partner und ich diverse Fremdsexkonstellationen (Dreier, Sexparty mit Partner*innentausch, offene Beziehung) ausprobiert haben, schaue ich da ein wenig anders darauf. Ich weiß, dass die Sehnsucht nach fremder Haut, das Prickeln beim Sex mit einer neuen Person etwas total Anziehendes und auch ein Bedürfnis ist, was total menschlich ist. Vor allem wenn man schon länger mit einem Partner zusammen ist. Ich würde auch von mir sagen, dass ich genau so ein Mensch bin, der sich nach verschiedenen Sexpartner*innen sehnt. Auch wenn ich emotional für eine offene Beziehung nicht gefestigt genug bin, möchte ich dieses Beziehungsmodell nicht komplett für die Zukunft in Frage stellen.

Dass man mal mit jemand anderem schlafen will – komplett normales Bedürfnis. Und das muss nicht mal unbedingt etwas mit der Beziehung zu tun haben. Unsere Beziehung lief super gut, bevor wir sie öffneten. Wir haben ja nicht mit anderen Sex gehabt, weil etwas nicht gestimmt hatte, sondern weil wir beide experimentierfreudig sind, das Abenteuer und das Neue mögen. Und trotzdem ist zwischen uns alles gut und wir lieben uns. Auch wenn es momentan auch recht viele Höhen und Tiefen gibt. Aber das ist eine andere Geschichte.

Bedürfnisse komplett verständlich

Gleichzeitig kann ich auch das Bedürfnis nach Schmetterlingen im Bauch verstehen. Neben der Leidenschaft geht nämlich auch das früher oder später in jeder Beziehung mal flöten.

Das ist eben der Lauf der Dinge. Und da braucht es nur einen anderen, neuen, attraktiven Menschen und schon werden die Verliebtheitsgefühle wieder aktiviert.

Ich glaube aber, dass es ein himmelweiter Unterschied gibt zwischen „Ich habe mich in jemanden verknallt“ zu „Ich bin verliebt und will der Person näher kommen“. Das eine sind Gefühle. Da kann man einfach nichts dagegen machen. Das passiert auch in den besten Beziehungen, dass sich mal jemand fremdverknallt. Das kann möglicherweise daran liegen, dass etwas in der Beziehung fehlt. Natürlich, die Verliebtheit von früher. Aber auch andere wesentlichere Dinge, wie Aufmerksamkeit, Wertschätzung, Zärtlichkeiten und und und. Aber das muss auch nicht sein. Es kann alles wunderbar laufen und trotzdem verguckt man sich in jemand anderen als den Partner.

Gegen Gefühle lässt sich schwer etwas machen. Aber man hat ja durchaus Möglichkeiten, damit umzugehen und muss diesen nicht nachgehen. Und es erst recht drauf ankommen lassen. Sobald man also nichts dagegen macht, sondern dem ganzen mehr nachgeht, stimmt etwas nicht in der eigenen Beziehung.

Die feinen Unterschiede

Die Hürde, körperlich fremdzugehen, ist kleiner als die Hürde emotional fremdzugehen. Ersteres kann tatsächlich auch passieren, doch emotional zu betrügen passiert nicht einfach mal so und ungeplant. Das ist schon etwas, was man in irgendeiner Art und Weise schon selbst forciert. Denn Gefühle entwickeln sich ja nicht einfach ganz schnell. Um überhaupt emotional mit jemand anderen verbunden zu sein, gehört mehr Engagement dazu. Man will es wirklich. Man will die Person unbedingt und nicht nur für einen kleinen Quickie und One-Night-Stand. Da steckt mehr dahinter.

Und meist, denke ich, hat es wirklich etwas damit zu tun, dass einem in der eigenen Beziehung etwas fehlt. Wer sich so intensiv fremdverliebt und dem nachgeht, der muss in der Beziehung eindeutig etwas krass vermissen.

Jetzt schreibe ich die ganze Zeit über emotionales Fremdgehen. Aber was bedeutet das eigentlich? Und wo fängt das Fremdgehen an? Wie definiert man überhaupt Fremdgehen, wenn da körperlich nichts passiert?

Das Fremdgehen fängt ja schon im Kopf an. Man findet eine andere Person spannend und anziehend, plant, der Person näher zu kommen. Es steckt immer irgendwie eine Intention dahinter. Man will die Person öfter sehen, plant Treffen, verbringt mehr Zeit miteinander. Wollen ist das eine, nichts verwerfliches. Aber es dann zu tun, schon.

Ich schrieb zwar, dass es nicht einfach so mal passiert. Aber es ist nicht so wie beim körperlichen Fremdgehen, dass man ab Zeitpunkt X definitiv sagen kann, okay, das ist eindeutig Betrug! Es passiert schon schleichend und langsam, deswegen gibt es hier auch keine so klare Trennung zwischen platonisch und nicht mehr platonisch. Das macht es auch so schwierig zu definieren, was emotionales betrügen bedeutet.


Ab wann gehe ich emotional fremd?

Ist es das schon, wenn ich mit einer Person, zu der ich mich hingezogen fühle, mehr Zeit verbringe? Wenn wir täglich miteinander schreiben? Wenn über total intime Dinge sprechen? Wenn ich verliebt bin und der Person nah sein will?

Ganz klar kann man das nicht sagen, wir befinden uns hier nicht in einem Schwarz-Weiß-Bereich, sondern in einer krassen grauen Zone.

Das „Gute“ daran ist, dass man ja immer noch zur Not sagen kann: „Wir sind doch nur Freunde“, denn zwischen uns beiden lief ja nie was. Also nie was körperliches. Damit versucht man das eigene schlechte Gewissen zu beruhigen, obwohl einem das Gefühl etwas anderes sagt. Aber, dass nichts läuft, ist glatt gelogen. Im Gegenteil: Da läuft schon sehr viel, aber eben nichts sichtbares, dafür viel emotionales.

Gehe ich emotional fremd, wenn ich mit meinem besten Freund über Dinge spreche, die ich meinem Partner nicht erzähle? Eher nicht, solange ich nichts für meinen besten Freund empfinde, was über Freundschaft hinausgeht.

Wann fängt emotionaler Betrug an?

Es ist nicht immer leicht, genau zu sagen, ab wann emotionales Fremdgehen anfängt, aber ich finde, es gibt schon einige Hinweise darauf, dass es darauf hinausläuft.

Wenn ich mit einer anderen Person außer meinem Partner öfter Zeit verbringe. Wenn ich die Person auch attraktiv finde. Wenn ich ständig an die Person denke, mich besonders freue, von ihr zu lesen oder zu hören. Wenn ich mir insgeheim bei unseren Treffen mehr Nähe wünsche. Wenn ich mit der Person sehr viel zu tun habe, also mich nicht nur mit ihr treffe, sondern vielleicht auch viel schreibe und telefoniere.

Und ganz wichtig: Wenn die andere Person ähnlich empfindet. Zum Fremdgehen gehören ja bekanntlich mindestens zwei Menschen dazu. Wenn die eine Person, sich nach einer anderen sehnt und das nicht erwidert wird, würde ich das nicht als Fremdgehen bezeichnen.

Wenn ich mir eventuell vorstellen könnte, mit der Person zusammen zu sein oder mich frage, wie das wohl wäre. Wenn ich der Person Dinge erzähle, die ich meinem Partner nicht verrate. Wenn ich mit der Person besser sprechen kann als mit meinem Partner. Wenn ich zu der Person eine innige emotionale Bindung entwickle, die über eine Freundschaft hinausgeht. Wenn ich der Person zuerst Dinge und Entscheidungen mitteile, noch vor meinem Partner. Wenn ich mich auf diese Person besonders verlasse und von ihr emotionale Unterstützung bekomme, die ich von Freund*innen nicht erwarten würde.

Und wenn ich merke, dass sich meine Aufmerksamkeit immer mehr auf diese Person konzentriert, ich dafür meinem Partner weniger Aufmerksamkeit schenke und ihn vernachlässige. Dann ist es auch eindeutig, dass ich mich emotional distanziere.

Spätestens wenn Verliebtheit im Spiel ist, ist die Sache klar. Und wenn ich diese besondere Bindung vor meinem Partner geheim halte. Generell ist alles, was ich meinem Partner nicht erzählen kann und will, eigentlich immer ein Hinweis darauf, dass etwas im Busch ist.

Emotionales Fremdgehen ist es, wenn eine starke Bindung auch eine ernsthafte Konkurrenz zur eigenen Beziehung darstellt.


Warum emotionales Fremdgehen mehr wehtut

Ich glaube, dass emotionales Fremdgehen die Beziehung deutlich mehr gefährden kann, als ein bloßer Seitensprung oder gar eine Affäre, ohne wirkliche Gefühle. Warum? Weil das Körperliche ja scheinbar keine wirkliche Bedeutung hat. Es hätte auch mit irgendeiner Person sein können.

Doch wenn wir emotional fremdgehen, geht es uns nicht nur um Sex, um die reine Befriedigung unserer Triebe. Es geht uns ganz konkret um die Person, zu der wir uns hingezogen fühlen. Gefühle für jemand anderen zu entwickeln, gefährdet die Beziehung mehr als jeder bedeutungslose Sex mit einer Person, die uns komplett egal ist.

Deswegen kam ich auch besser damit zurecht, wenn mein Partner in der offenen Beziehung bedeutungslosen Sex mit Frauen hatte, die er kaum kannte. Dagegen wurde ich sehr eifersüchtig, wenn er sich mit einer Frau, mit der er Sex hatte, auch platonisch traf. Ich hatte Angst, dass er sich mit ihr besser verstehen und tiefere Gefühle entwickeln könnte. Das würde mir mehr wehtun, als all der ganze Fremdsex zusammen. Dass er sich in eine andere verliebt und mich vielleicht verlässt. Ich wusste, dass er mich wegen des Sexes mit anderen nicht verlassen würde. Aber die Angst, ihn zu verlieren, wenn er sich emotional einer Person zu stark annähert – die war sehr groß.

Körperliches Fremdgehen passiert, weil wir einfach nicht für die Monogamie gemacht sind. Aber emotionale Treue ist nicht etwas, was einfach so passiert. Das geht nur, wenn wir selbst unseren Beitrag dazu leisten.

Mein Freund sagt immer, dass er sich nur dann ernsthaft in jemand anderen verliebt, wenn die eigene Beziehung wirklich schlecht läuft. Wenn quasi nichts mehr zu retten ist. Dann erst sei er auch empfänglich für Gefühle gegenüber anderen Menschen.

Bei mir sieht die Sache etwas anders aus. Ich verknalle mich auch in andere Menschen, auch wenn ich happy mit meinem Partner bin. Aber das sind nur oberflächliche Gefühle.

Emotionales Fremdgehen stellt für mich eine größere Bedrohung dar, als mal so mit jemand anderem schlafen. Für die betrügende Person hat diese Form von Fremdgehen mehr Bedeutung. Emotionales Fremdgehen führt dazu, dass ich mich emotional immer mehr aus der Beziehung herauslöse, die Distanz zwischen meinem Partner und mir wird immer größer. Man fängt an, sich zu entfremden.

Zweimal emotional fremdgegangen

Ich kenne beides – körperliches und emotionales Fremdgehen. Beides habe ich selbst einmal getan. Ich bin auch meinem Exmann zweimal emotional fremdgegangen. Einmal mit Daniel, in den ich dolle verliebt war. Auch er fühlte sich zu mir hingezogen. Es ist zwar auch einmal etwas zwischen uns passiert, aber bis dahin war alles tatsächlich emotionaler Art. All das, was ich geschrieben habe, traf auch auf uns zu. Ich stellte mir ernsthaft vor, wie es wäre, wenn wir beide zusammen gewesen wären.

Und ein anderes Mal war es mit meiner späteren Affäre. Es lief vorher schon etwas, aber danach versuchten wir es platonisch, als Freunde. Das klappte leider semi gut, da ich immer wieder merkte, wie meine Gefühle zu ihm aufflammten. Ich wusste es von Anfang an, dass das mehr als Freundschaft war. Bei keinem anderen habe ich mich so gefühlt und so gefreut, wenn wir uns trafen. Wir schrieben über ein Jahr täglich miteinander. Und wenn wir uns trafen, konnte man die Spannung förmlich spüren. Ich fühlte mich hart zu ihm hingezogen, sehnte mich nach Berührungen, die über eine Umarmung hinausgingen. Und ich dachte die ganze Zeit an ihn, war einfach krass verliebt. Damals war es mir nicht so bewusst, aber heute weiß ich: Schon bevor ich meinen Ex körperlich betrogen habe, bin ich emotional fremdgegangen. Und schon bevor ich überhaupt mit dem ganzen Fremdgehen anfing, war ich ihm dutzende Male emotional fremdgegangen.

Rückblickend fing es eigentlich immer mit Gefühlen an. Ich fühlte mich einem Mann sehr hingezogen, körperlich wie emotional. Als das anfing, distanzierte ich mich bereits emotional von meinem Mann. Das körperliche Fremdgehen war nur die logische Konsequenz.

Bereits emotional entfremdet

Als ich nach Daniel meinen Ex fragte, ob wir die Beziehung öffnen, hatte das überhaupt nichts damit zu tun, dass ich noch sehr an der Beziehung hing oder Abwechslung reinbringen wollte. Es ging mir eigentlich nur darum, mich weiter emotional und körperlich von meinem Ex zu distanzieren. Und es ging nicht darum, an der Beziehung zu arbeiten, sondern einen Freifahrtschein fürs Fremdgehen zu bekommen. Auch das wird mir schmerzlich bewusst.

Unsere Beziehung war aber auch schon vor der ganzen Sache irgendwie kaputt. Ich merkte es damals nur nicht. Das Fremdverlieben und Fremdgehen waren im Endeffekt nur Symptome. Sie waren das Ergebnis der Entfremdung zwischen mir und meinem Ex. Erst dadurch war ich emotional empfänglich für andere Männer. Ich war schon längst emotional und körperlich distanziert, wollte es nur nicht wahrhaben. Wollte nur nicht wahrhaben, dass wir uns bereits voneinander entfremdet hatten.

Als ich diese ganzen ONS hatte, gab es an sich eigentlich keinen Grund, die Beziehung zu beenden. Die hatten mir alle nichts bedeutet und waren keine Gefahr für die Beziehung, doch die Affäre, die emotional und körperlich war – die stellte eine große Bedrohung dar und war auch der Grund, warum ich mich am Ende getrennt habe. Weil die Affäre am Ende nicht mehr nur etwas Körperliches war, sondern quasi eine harte Konkurrenz zu meiner eigenen Beziehung darstellte.

Emotionales Fremdgehen lässt sich schwer definieren und nicht immer eindeutig eingrenzen. Aber aus eigener Erfahrung hat man ein Gefühl dafür, dass es eben nicht nur reine Freundschaft ist, sondern mehr. Auf die Frage, was jetzt nun schlimmer sei – emotionales oder körperlich Fremdgehen kann ich nicht eindeutig antworten. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich körperliches Fremdgehen eher verzeihen, weil beim emotionalen viel mehr passieren muss und viel mehr in der Beziehung schlecht laufen muss, damit es soweit kommt.

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