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Wie mir die Therapie hilft


Seit etwa fünf Monaten gehe ich regelmäßig zur Therapie. Und ich muss sagen: Es war genau die richtige Entscheidung. Auch wenn wir noch nicht mal mitten im Prozess sind, wie meine Therapeutin es immer wieder gern betont, konnte mir die Therapie in vielerlei Hinsicht schon echt weiterhelfen.

 

Selbstfürsorge

Lange habe ich mit mir gestruggelt, ob ich es wirklich mit einer Therapie probieren sollte oder nicht. Es kamen Gedanken auf wie: Brauche ich das wirklich? Geht es mir wirklich so schlecht, dass ich nur noch mit externer Hilfe meine Probleme angehen kann? Ich fragte mich, ob ich und meine Probleme es wert seien, dass ich eine Therapie dafür in Anspruch nehme.

Ich machte mich selbst ein klein wenig schlecht, indem ich mir einredete, dass meine Probleme im Vergleich zu denen anderer banal wären. Andere hätten es viel schwerer als ich. Ich nehme anderen den Therapieplatz weg. Das kann ich doch nicht machen. Was ich dabei übersah: Ich machte mich minderwertig. Als ob ich es nicht wert sei, Therapie in Anspruch zu nehmen.

Dabei sind meine Probleme, auch wenn sie vielleicht nicht so sehr massiv meine Lebensqualität beeinträchtigen wie es bei anderen der Fall ist, auch ernstzunehmen. Auch ich hatte es nicht leicht im Leben. Auch wenn ich mein Leben inzwischen so gut unter Kontrolle habe. Lange habe ich mir nicht von anderen helfen lassen, wollte stark sein, das alleine schaffen. Aber jetzt sehe ich ein, dass ich damit nicht weiter komme.

Ein „Ja“ zur Therapie ist also ein „Ja“ für mich und dass ich meine Ängste, Sorgen und Probleme wirklich ernst nehme. Sich Zeit für die Therapie zu nehmen, heißt gleichzeitig, dass ich mir Zeit für mich nehme, für mein seelisches Wohlbefinden. Meine Therapeutin sagt immer: „Das ist Ihre Zeit, Sie entscheiden, worüber wir sprechen und was passiert.“ Es geht nur um mich. Und das ist ungewohnt.

Mein Leben lang ging es immer um die anderen, um meine Eltern, die ich stolz machen sollte, die anderen, denen ich es recht machen musste. Doch wo blieb ich? Ich hielt mich immer für unwichtig genug, meine Bedürfnisse unter denen anderer zu stellen. Doch mit der Therapie habe ich gelernt, dass ich selbst wichtig genug bin, dass ich mir die Zeit nehme und auch die Hilfe suche, damit es mir besser geht.

Persönliche Entwicklung

Ich habe die Therapie vor allem aus dem Grund begonnen, weil ich mich verändern wollte. Ich wollte meinem Partner zuliebe und uns zuliebe an meinen Baustellen arbeiten. Ich wollte ein besserer Mensch werden, eine bessere Partnerin. Je länger ich in Therapie bin, desto mehr merke ich: Es geht nicht primär um Selbstoptimierung.

Es geht eigentlich eher darum, herauszufinden, wer ich bin und was mich ausmacht. Mich selbst zu akzeptieren. Aber das schließt die eigene persönliche Entwicklung ja nicht aus. Entwicklung bedeutet hier nicht unbedingt Selbstoptimierung. Es geht nicht darum, immer besser zu werden, mehr Leistung zu bringen, Dinge perfekter zu machen. Meine Baustellen wegzumachen. Es bedeutet, anzunehmen was ist. Das ist der erste Schritt zur Veränderung. Es geht um etwas viel tieferes. Ich möchte emotional reifen.

Ich bin irgendwo in meiner Kindheit psychisch stecken geblieben. Das schreibe ich jetzt, ohne Wertung. Ich musste irgendwie schnell erwachsen werden, konnte mich auf meine Eltern nicht verlassen, nur auf mich selbst. Und wurde gewissermaßen unabhängig. Aber ich bin trotzdem psychisch immer noch Kind geblieben. Ich bin äußerlich vielleicht erwachsen geworden, doch das Kind in mir, trat auf der Stelle, es kam nicht weiter. Es konnte nicht reifen. Es wurde zurückgelassen. Die alten Wunden aus der Kindheit waren nie wirklich verheilt. Ich habe immer nur den Deckel draufgehalten, um den alten Schmerz nicht mehr zu fühlen.

Aber die Wahrheit ist: Ich bin noch nicht geheilt. Und das ist okay so. Ich arbeite daran. Die persönliche Entwicklung, die ich angehe, ist nicht etwas oberflächliches, sondern etwas total tieferliegendes. Den Schmerz von damals anzunehmen, auch wenn es wirklich wehtut. Nicht besser zu werden, sich krass zu verändern, sondern das zu akzeptieren, was früher einmal war und nicht mehr geändert werden kann. Ich glaube, dass das eine viel größere Herausforderung für mich ist, als ständig neue Dinge zu probieren oder sich in etwas zu verbessern. Und mit der Heilung kann erst wirklich inneres Wachstum passieren. Die psychische Entwicklung, bei der ich mein kleines inneres Kind an die Hand nehme und es stärken kann.


Selbstfindung

Therapie ist eine Suche nach meinem wahren Selbst. Ich dachte immer, dass ich mich selbst schon sehr gut kenne. Aber ich merke auch, dass Therapie mir genau das Gegenteil zeigt: Ich weiß so vieles nicht über mich. Ich mag noch so reflektiert sein und auch meine Therapeutin lobt, dass ich eine tolle Introspektion habe. Aber es gibt immer blinde Flecken, die nur andere sehen, aber man selbst nicht. Die Therapeutin dient mir als Spiegel, um genau diese Flecken zu erkennen.

Und nicht zuletzt ist da noch das Unterbewusstsein. All das, was ich nicht wahrnehme, was mich und mein Denken, Handeln und Fühlen so krass beeinflusst. Das Unterbewusstsein ist es, was ich bisher noch nicht erforscht habe und wo ich auch gar nicht den Blick drauf hatte. In der Therapie lerne ich aber, Dinge, die ich vielleicht irgendwann mal verdrängt oder vergessen habe, wieder heraufzuholen.

Das ist alles andere als leicht. Es überwältigt und überfordert mich teilweise sehr. Es macht so viel mit mir. Aber jede Mal, wenn ein Stückchen mehr zum Vorschein kommt, fühle ich, dass sich etwas in mir gelöst hat. Es hat etwas Befreiendes. Immer wieder tauchen neue Erkenntnisse auf, auf die ich selbst nie gekommen wäre.

Ich kann noch so viele Bücher lesen, wie ich will, noch so viele Übungen machen, wie ich möchte. Nichts davon wird jemals so nachhaltig und tiefgreifend sein wie Therapie.

Plötzlich erkenne ich Verbindungen zwischen Dingen, die mir nie in den Sinn kamen. Ich habe so viele A-HA-Momente in der Therapie erlebt. Beispielsweise hätte ich nie gedacht, dass ich mit meinem Stiefvater und meiner Mutter so viele Gemeinsamkeiten habe, vor allem auch was das Negative betrifft. Nie hätte ich gedacht, dass es bei all den Streitigkeiten mit meinem Partner gar nicht um uns geht, sondern eigentlich um etwas in meiner frühen Kindheit. Es ging immer nur um mein Selbstwertgefühl und Bedürfnisse, die ich als Kind hatte und die nicht erfüllt worden sind.

Am Anfang war da einfach nur sehr dichter Nebel. Aber dieser lichtet sich, Stück für Stück. Es ist noch vieles unklar, vieles bleibt noch verborgen. Aber ich habe Hoffnung, dass ich dem Ganzen auf der Spur bin.

Nach und nach lerne ich mich immer besser kennen, entdecke Facetten an mir, die mich überraschen. Ich beginne zu verstehen, woher diese Wut kommt. Ich finde heraus, was eigentlich hinter der Wut steckt. Ich puzzle so langsam zusammen, was eigentlich die Ursache für mein fehlendes Selbstwertgefühl ist. Ich verstehe, warum gerade mein aktueller Partner mich so sehr triggert und warum ich mich bei ihm so fühle, wie ich mich fühle. Ich hatte auf so vieles keine wirkliche Antwort. Doch so langsam setzt es sich zusammen. Auch wenn es nur der Anfang ist, ist schon echt viel erreicht.

Ich beginne soviel zu hinterfragen, was ich sonst immer für richtig und wahr gehalten habe. Klar, macht das stellenweise etwas Angst, wenn dein festes Fundament zu wackeln anfängt. Doch diese Veränderungen sind wichtig, um weiterzuwachsen.

 

Akzeptanz und Selbstliebe

Eine der wichtigsten Ziele in meiner Therapie ist: mich endlich so anzunehmen und zu lieben, wie ich bin. Das fällt mir so unglaublich schwer. Weil ich diese Liebe früher nicht in der Kindheit bekommen habe. Mir wurde nicht das Gefühl gegeben, so richtig zu sein, wie ich war. Es wurde nur kritisiert und abgelehnt. Mein Selbstwert hing davon ab, was ich leiste. Und wenn ich nichts schaffte, dann war ich auch nichts. Das ist rückblickend so traurig, wenn ein Kind so etwas vermittelt bekommt und daran glaubt. Kein Wunder, wenn es sich einen abmüht, immer in der Hoffnung, die Anerkennung zu bekommen, die es sucht.

Ich habe das alles verinnerlicht, all diese negativen Glaubenssätze: Du bist zu ruhig und wirst deswegen nicht gemocht. Du bist minderwertig. Du bist nicht liebenswert. Du bist nicht wichtig. Du bist nur etwas, wenn du was leistest. Du musst dir Anerkennung verdienen.

In der Therapie decke ich diese Glaubenssätze auf und setze mich mit ihnen auseinander. Allmählich fange ich an, sie zu hinterfragen. Ich bin auch liebenswert, so wie ich bin. Ich muss nicht anders sein, um wertvoll zu sein. Es ist noch schwer, ich bin weit davon entfernt, sie zu akzeptieren, geschweige denn, sie zu verinnerlichen. Aber ich weiß, irgendwann werden sie meine Wahrheit sein.

Gemeinsam arbeiten wir daran, dass ich nach und nach das, was ich nicht bekommen habe, fehlende Liebe, betrauere. Aber ich werde auch lernen, wie ich mir selbst nach und nach die fehlende Liebe geben kann.


Emotionale Intelligenz

Der Grund, warum ich in die Therapie gekommen bin, war, dass ich meine Emotionen schwer unter Kontrolle hatte. Ich reagierte ja in Streits mit meinem Partner ständig über und es fiel mir so schwer, da rauszukommen. Der Grund für meine Therapie war am Anfang Selbstoptimierung. Ich wollte meine Gefühle in den Griff bekommen. Aber die Gefühle sind eigentlich nur das Symptom.

In der Therapie lernte, ich, dass es nicht darum geht, Gefühle irgendwie zu kontrollieren oder zu deckeln. Viel wichtiger ist es, sie endlich zu verstehen. Zu verstehen, woher sie kommen und warum sie da sind. Das ist der Kern der Therapie. Nicht das Unangenehme verschwinden zu lassen, sondern sich da hinzubegeben, reinzufühlen, auch wenn es wehtut. Und das ganze zu erforschen und zu verstehen. Nur durch Verständnis, kann ich dann lernen, damit umzugehen.

Ich habe mich immer so selbst verurteilt, wenn ich wieder traurig oder wütend war. Wollte diese Gefühle gar nicht da haben. Weil Wut meist immer zum Streit führte. Aber der falsche Weg ist es, die Wut wegzumachen. Eher sich der Wut zu stellen und Raum zu lassen, um sie zu verstehen.

Jetzt weiß ich inzwischen, dass die Wut nur sekundär ist und die eigentlich Traurigkeit oder Gekränktheit, die viel ruhiger sind, überdeckt. Um meine eigene Verletzlichkeit nicht zu fühlen. Das hilft mir, mitfühlender mit mir zu sein. Wenn ich statt der Wut also der eigentlichen Traurigkeit Raum gebe, kommt es vielleicht auch nicht zum Streit. Nicht der Streit an sich ist verkehrt, sondern wie man streitet. Und wenn man aber offen und verletzlich miteinander kommuniziert, mehr in seinen Gefühlen ist, dafür weniger den Partner angreift, kann man auch eine ganz andere Art von Kommunikation schaffen. Eine, die einen eher näher bringt als auseinandertreibt.

Ängste überwinden

Es gibt immer mal Situationen, in denen ich doch eine gewisse Anspannung fühle. Ich habe Angst, etwas Dummes zu sagen. Angst, dass mich meine Therapeutin kritisiert oder ablehnt. Angst davor, mich selbst zu zeigen mit all meinen Schwächen. Mit der Therapie aber stelle ich mich meinen Ängsten. Die Therapie ist für mich ein Safer Space. Der einzige Ort, wo ich komplett ich selbst sein kann und all meine Gefühle, Gedanken und Erlebnisse unzensiert offenbaren kann. Meine Therapeutin wird mich nicht verurteilen, sie begegnet mir mit Verständnis. Es ist auch nicht ihre Aufgabe zu urteilen, sondern mir zuzuhören und mich auf den richtigen Weg zu bringen, mir zu helfen, damit ich mir helfen kann. Für mich ist das unglaublich wertvoll, weil ich sonst immer das Gefühl habe, bewertet zu werden. Doch bei ihr lässt das langsam nach. Ich fange an, ihr wirklich zu vertrauen. Je mehr ich ihr intimes von mir preisgebe, desto mehr wächst das Vertrauen, dass ich mich auf sie verlassen kann. Dass ich Dinge einfach so sagen darf.

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