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Experiment Free Hugs: Es ist so einfach, Glück zu teilen


Ich bin jemand, der eigentlich nicht so gern Nähe zu fremden Menschen zulässt. Bei jeder kleinen Berührung zucke ich zusammen, will mich schnell distanzieren. Wie jemand, der keinen Körperkontakt zu Fremden will dann trotzdem Free Hugs gibt, erfahrt ihr in diesem Beitrag.
 

 

Es ist Samstagnachmittag und ziemlich kalt. Ich bin dick eingekuschelt, mit Handschuhen, dickem Schal, Mütze und halte ein Schild in den Händen: „Free Hugs“ steht darauf. Ich stehe mitten auf dem Alten Markt, ein Ort in meiner Stadt, an der immer viel am Wochenende los ist. Noch vor wenigen Wochen passierte hier der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt, der das ganze Leben in dieser Stadt auf den Kopf gestellt hatte. Neben mir die große Kreuzung, vor mir Leute, die an der Ampel warten. Ich fühle mich schon ziemlich beobachtet. Ich falle ganz sicher auf.

Etwas nervös bin ich schon. Denn das ist das erste Mal, dass ich so etwas mache: freie Umarmungen an Fremde verteilen. Eine gewisse Anspannung ist da, genauso eine Unsicherheit. Was werden die Leute davon halten? Wie werde sie mich anschauen? Wird es welche geben, die auf mich zukommen. Was soll ich machen, wenn Leute sich darüber lustig machen. Oder noch schlimmer: negativ darauf reagieren. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen würde, wenn ein dummer Spruch kommt.

So richtig vorbereitet habe ich das alles im Kopf nicht. Nur das Schild habe ich paar Tage vorher gebastelt. Aus einem Amazonkarton. Mit schwarzem Edding habe ich die Lettern darauf geschrieben. Sieht jetzt nicht sonderlich schick aus, aber immerhin erkennt man sehr gut, was drauf steht.

 

Der Moment ist gekommen

Ich stehe also da, aber nicht alleine. Eine Bekannte aus meiner Selbsthilfegruppe hat sich auch getraut, steht mit ihrem Block neben mir, vermutlich sogar noch nervöser als ich. Auf ihrem Block steht, leider nicht gut erkennbar mit Kugelschreiber geschrieben: „Freie Umarmung =)“ Für die Leute, die mit Englisch nicht viel anfangen können, vor allem die älteren Menschen.

Warum wir das machen? Eigentlich habe ich schon sehr lange mit dem Gedanken gespielt, das Experiment zu wagen. Dabei hatte ich schon viel krassere Dinge wie eine Kuschelparty gemacht. Da sind doch Free Hugs ein Klacks! Von wegen: Es kostet noch mehr Überwindung, da das nicht innerhalb von vier Wänden steht. Nein, ich stelle mich meiner Angst, im Mittelpunkt zu stehen, die Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Etwas, was ich sonst im Alltag total meide. Ich will eigentlich nicht auffallen. Alles dank meiner sozialen Ängste, der Angst, abgelehnt zu werden. Alles aufgrund eines geringen Selbstwertgefühls

Da wo die Angst ist, da geht es lang

Aber ich will mich nicht länger verstecken, nicht länger vor der Angst fliegen. Follow it. Da, wo die Angst ist, da geht es lang. Und darum stehe ich jetzt genau hier mit diesem Schild. Weil ich mich meiner Angst stellen will. Raus aus der Komfortzone, rein ins Leben! Es ist mein Versuch, Kontrolle über die Angst zu gewinnen, über mich selbst hinauszuwachsen. Zu zeigen, dass ich es kann, dass ich mutig bin. Ich will mich nicht länger verkriechen und verstecken. Ich will mir selbst sagen: „Hier bin ich!“

Ich wollte es aber nicht allein machen. Dachte, dass es eine tolle Challenge für all meine Gleichbetroffenen aus der Selbsthilfegruppe wäre. Sie alle haben mehr oder weniger mit sozialer Angst zu kämpfen. Die meisten trauten sich nicht, fanden die Idee klasse, aber auch überwältigend. Doch eine traute sich doch, gab dem ganzen eine Chance.

Und so stehen wir hier. Beide in der Eiseskälte. Wir gemeinsam gegen unsere Ängste.

Ich schaue auf die Leute, die auf mich zu gehen. Viele schauen mich auch an, recht neutral. Einige sehen interessiert aus, lesen das, was auf meinem Schild geht. Machen sich teilweise schon lustig. Und überlegen, was „Free Hugs“ eigentlich bedeutet.

Manche gucken auch echt streng, starren mich an. Etwas unangenehm. Ich versuche mich davon nicht zu verunsichern.

Ein Lächeln macht auch schon glücklich

Ich setze mein bestes Lächeln auf. Auch das ist nicht leicht für mich. Aber in dem Moment ist es doch nicht mehr so die große Herausforderung. Ich merke, dass ich lockerer werde. Und ich merke auch: Es ist überhaupt nicht schlimm, hier mitten auf dem Platz zu stehen und Free Hugs zu geben.

Und so langsam erkenne ich auch: Nicht alle reagieren so, wie ich es mir vorgestellt habe. Einige gehen an uns vorbei, fangen an zu lächeln. Als ob sie uns damit sagen würden: Danke, dass ihr das macht. Tolle Aktion!

Und allein das ist schon ein Erfolg! Auch wenn Leute nicht unbedingt stehen bleiben und bereit für eine Umarmung sind. Es ist schon allein wertvoll, dass wir den Menschen ein Lächeln auf die Lippen zaubern. Bereits das wärmt mein Herz.

Ein Moment, der mich so berührt

Und dann passiert es doch: ein Mädchen kommt mit einem Jungen vorbei, zögert kurz. Ich sehe, dass sie friert, lächle sie ermutigend an. „Na, wie wärs mit einer Umarmung gegen die Kälte?“ Und sie lächelt jetzt noch breiter, kommt mit offenen Armen auf mich zu. Auch ich öffne mich und umarme sie fest. Es fühlt sich so gut an! Es ist einfach ein so wunderbarer Moment, wenn man den anderen umarmt. Und dann der Moment, in dem wir uns voneinander lösen, uns gegenseitig anlächeln und beide einfach voller Freude sind. Glück kann so ansteckend sein!

Es ist kalt, aber es wird so warm in meinem Herzen.

Sie verabschiedet sich, wünscht uns noch einen schönen Tag. Es macht so happy, anderen eine Freude zu machen. Das ist der Zauber der Free Hugs!

Ein Stein fällt mir vom Herzen. Es ist so, als würde jegliche Anspannung von mir fallen. Die Umarmung hat etwas in mir ausgelöst, was ich nicht in Worte fassen kann. Ich bin so glücklich!


So viele schöne Glücksmomente

In den nächsten 30 Minuten kommen immer mal wieder Menschen vorbei, vor allem auch jüngere Frauen und Mädchen. Ich muss nicht mal viel sagen. Teilweise kommen sie einfach direkt auf mich zu. Es fallen keine Worte, allein das Lächeln und die offenen Arme sagen schon alles. Man versteht sich wortlos. Es ist so schön!

Es fühlt sich an, als würde ich jede Menge weiterer Glücksmomente sammeln. Glück wird mehr, wenn man es teilt. Und das trifft so gut auf Free Hugs zu. Ich gebe den Menschen etwas und sie geben es mir zurück. Und das Glück wird mehr. Dadurch, dass diese Menschen auch ein Stück fröhlicher werden, geben sie die positive Energie auch nochmal weiter. Das ist das Gegenteil von einem Teufelskreis.

Und da erkenne ich den Zauber der Free Hugs. Es sind nur kleine Gesten. Aber es sind die kleinen Gesten, die so viel bewirken können. Wir können so viel mehr Glück und good Vibes in der Welt verbreiten, indem wir nur so kleine Dinge tun. Jeder von uns hat die Macht dazu, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.


Der Zauber der Umarmung

Berührungen tun wirklich so gut. Das habe ich selbst gespürt. Auch wenn ich nicht direkt Körperkontakt hatte. Es tut trotzdem so gut, die Menschen zu umarmen. Mit jedem Male merke ich, wie das Glück mehr wird. Ich umarme die Menschen und sie nehmen es dankend an. Wir tun uns gegenseitig gut. Ich merke, dass ich richtig in den Flow komme. Ich bin geradezu süchtig danach, das Glück zu empfangen und zu teilen. Die halbe Stunde fühlt sich so kurz an, ich könnte stundenlang weiter machen. Wer hätte gedacht, dass Umarmungen solch eine Wirkung haben?

Mir fällt auf, dass die meisten eher Frauen sind. Es gibt an dem Tag nur zwei Jungs/Männer, die sich trauen. Ihnen fällt es schwerer als den Mädels und Frauen. Aber noch schwerer ist es, den älteren Menschen näher zu kommen. Zwischen ihnen und mir herrscht viel Distanz. Ich glaube, dass es schwerer ist an sie heranzukommen, weil sie skeptischer sind. Dabei sind es gerade die älteren, die die Berührungen am meisten brauchen.

Ich stehe die meiste Zeit nur mit dem Schild da und lächle Leute an. Manche frage ich dann auch direkt: „Wollen Sie eine Umarmung?“ Die meisten reagieren positiv darauf, lehnen aber, aber mit einem Lächeln. Auch das ist ein Erfolg.

Die, die wirklich bereit sind, brauchen keine Worte. Ein Blick und ein Lächeln reicht und wir wissen alle Bescheid. Mehr braucht es nicht zum Glück.

Was Free Hugs bewirken können

Während ich das schreibe und das alles noch einmal Revue passieren lasse, werde ich überwältigt von einer so tiefen Freude, dass ich weinen muss. Ich weine vor Glück. Allein die Erinnerung an diese kurzen so kurzen Begegnungen haben tief etwas in mir bewegt. Ich bin noch immer so berührt von dieser Dankbarkeit und Freude, die ich dabei empfunden habe. Das hat etwas nachhaltig in mir verändert.

Da ist so viel, was ich fühle. Dankbarkeit. Berührung. Freude. Glück. Verbundenheit.

Und ich merke, dass das langfristig etwas in mir bewirkt. Irgendwie fällt es mir seitdem leichter, auf Menschen zuzugehen. Mich zu öffnen. Mehr ich selbst zu sein. Ich bin offener und mutiger geworden. Und das allein dank dieser Challenge. Wenn das kein Erfolg ist!

Für mich steht fest. Das war nicht mein letztes Mal. Ich will das unbedingt öfter machen. Ich weiß, dass wir alle das mehr denn je brauchen. Gerade in dieser Zeit der Krisen, brauchen wir Zeichen für Menschlichkeit und Verbundenheit.

Ich habe gelernt, wie einfach es ist, Glück zu verteilen und zu potenzieren. Was das mit einem macht. Es ist so einfach. Wir brauchen mehr davon. Darum habe ich beschlossen, eine eigene Gruppe zu gründen, die „Free Hugs“ gibt. Damit wir noch mehr Menschen erreichen können. Noch mehr Freude verteilen, noch mehr positives in die Welt hinaustragen.

Das ist meine Mission. Ich will dazu beitragen, dass die Welt zu einem besseren Ort wird. Dass Menschen näher zusammenkommen, dass sie glücklicher werden. Und ich glaube, dass gerade diese Umarmungen schon ein erster guter Schritt wären.

Lasst uns also die Liebe und das Glück noch mehr verbreiten!

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