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Lehren aus 9 Jahren Beziehung

Neun Jahre sind wir bereits zusammen, davon einige Monate verheiratet. Es gab Höhen und Tiefen, schöne und nicht so schöne Momente. Und auf alle Fälle konnte ich viel aus der Beziehung über mich und die Liebe erfahren und lernen.


Beziehung bedeutet Arbeit

Von wegen: Und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie noch bis glücklich bis an ihr Lebensende. In so vielen Filmen und Büchern wird ein viel zu romantisches Bild von der Liebe gezeichnet. Alles ist rosarot, zu traumhaft, um wahr zu sein. Die positiven Seiten dominieren. Aber die schlechten und schwierigen werden bewusst ausgeblendet. Um richtige Probleme, Konflikte und Streitigkeiten geht es nie.

Als ich naiv in meine erste Beziehung stolperte ahnte ich noch nicht, was auf mich kommen wird. Ich dachte nur an die positiven Seiten, wie schön es doch wäre, endlich jemanden zu haben, der mich liebt. So wie ich bin. Die Beziehung würde schon von alleine laufen. Und das klappte anfangs noch. Doch spätestens als die Schmetterlinge im Bauch weg waren, fing eigentlich die wahre Beziehung an. Und erst dann kam heraus, was Beziehung eigentlich bedeutet: nämlich eine Menge Arbeit. Beide müssen geben und nehmen, müssen an sich arbeiten, diskutieren, sich abgrenzen, sich einigen, einen Konsens finden, Probleme bearbeiten, endlos lange miteinander reden, weinen, sauer sein, Lösungen finden. Für all die Male, bei denen wir uns gegenseitig kritisiert, angemeckert und schlecht gemacht haben, mussten wir doppelt und dreifach uns wieder gegenseitig loben, zärtlich zueinander sein, uns Liebe zeigen. Das ist hart, aber gehört eben auch dazu.

Liebe ist eben nicht nur immer schön, sondern kann auch sehr anstrengend, nervenraubend sein und an den Rand des Wahnsinns bringen. Doch es lohnt sich doch immer wieder.


Es ist okay, wenn du anders denkst und bist

Eine Beziehung kann sehr anspruchsvoll sein. Ich war noch nie in einer, war noch nie so intim körperlich und emotional mit einem anderen Menschen. Eine Beziehung zu führen war für mich total aufregend. Und als Neuling gab und gibt es für mich so viel zu lernen. Plötzlich war da ein anderer Mensch, mit ganz eigenem Charakter, mit individuellen Bedürfnissen, Wünschen, Interessen, Vorlieben, mit ganz anderen Gefühlen, Gedanken und Verhaltensweisen. Damit zurechtzukommen war immer wieder eine Herausforderung. Ich musste mich nicht nur mit mir auseinandersetzen, sondern mit einem anderen Menschen, der ein wichtiger Teil meines Lebens wurde.

Klar gerieten wir immer wieder aneinander, anfangs waren wir noch vollkommen auf einer Wellenlänge, doch mit den Jahren veränderten wir uns. Immer mehr Differenzen kamen auf. Ich hatte sie ständig nur bekämpft, anstatt sie wohlwollend anzunehmen und zu akzeptieren. Streiten ist komplett normal in jeder Beziehung. Wie wir damit umgehen ist eine andere Geschichte und da kann es schon mal schief gehen. Es gab viele Diskussionen und Streits auch über belanglose Dinge.

Wir kritisierten uns, meckerten uns an, jammerten viel, waren viel aufeinander sauer, sagten Dinge, die wir nicht so meinten. Sich gegenseitig zu verletzen ist nicht schön, aber leider passiert es eben. Sich auf jemanden einzulassen bedeutet auch immer, sich zu öffnen und verletzlich zu machen. Aber wir vertrauen dem Partner und dass es uns am Ende doch näher zusammen bringt. Jede Streitigkeit hatte ihren Sinn und hat unser gegenseitiges Verständnis gestärkt. Es gab auch Differenzen, die wir nicht klären konnten. Da war es wichtig, das zu akzeptieren, dass manche Dinge eben so sind wie sie sind und wir sie nicht lösen können. Auch eine wichtige Erkenntnis für mich.

Die wichtigste Lektion dabei ist, dass man offen und ehrlich miteinander spricht und möglichst auch gewaltfrei, was mir nicht immer gelingt. Kommunikation ist das A und O. Nur so erfahren wir, was der andere wirklich denkt, fühlt und will. Nur so können wir an unseren Baustellen arbeiten. Und auch die gehören in jeder Beziehung dazu. Das ist nichts falsches oder schlechtes, das ist einfach so.


Verliebtheit ist nicht Liebe

Die bittere Wahrheit: Die Verliebtheit geht viel zu schnell vorbei. Spätestens als wir einige Monate zusammenwohnten, war die Luft raus, keine Schmetterlinge mehr. Stattdessen zickten wir uns ständig an, sahen plötzlich all die Macken und Fehler, die wir sonst gekonnt verdrängen konnten. Als ob wir plötzlich einen ganz anderen Menschen vor uns hätten. Die Wahrheit ist aber: Wir waren einfach nur von der Verliebtheit geblendet, haben den Partner in einem anderen Licht und verzerrt gesehen. Wir haben vielleicht eine andere Art von Vorstellung vom Partner gemacht und plötzlich sehen wir ihn mit all seinen schlechten Seiten.

Für viele der Punkt, sich dann zu trennen, weil sie merken, sie passen nicht zueinander. Aber da geht es doch erst richtig los mit der Beziehung. Wir nähern uns an, lernen den Partner intensiver kennen und auch uns selbst. Mit jeder weiteren Hürde wächst das Vertrauen, Intimität und auch die Gefühle zueinander. Aus der anfänglichen Aufregung und Leidenschaft entsteht ein viel tieferes und beständiges Gefühl: Liebe.

Ich kannte das zuvor nicht, außer vielleicht die Liebe zu meiner Mutter, aber das ist doch eine andere. Von jemanden geliebt zu werden, der nicht meine Familie ist und jemanden so zu lieben. Das war für mich etwas komplett Neues. Natürlich trauerte ich der Verliebtheitsphase hinterher, hätte sie gerne wieder gehabt. Aber ich bin sehr froh, dass wir beide so viel zusammen durchgemacht haben, was uns noch mehr zusammen geschweißt hat. Es war nicht immer leicht, aber es hat sich gelohnt.

Und ich bin froh, dass sich die Verliebtheit zu Liebe entwickelt hat. Sie geht so viel tiefer, ist so viel stärker. Zwar ruhiger, aber dafür beständiger. Es ist ein warmes Gefühl, was einen stärkt und Halt gibt. Es ist das Glück, jemanden an meiner Seite zu haben, der mich nicht so leicht verlässt.


Am Liebesleben muss man auch arbeiten

Anfangs konnten wir die Finger nicht voneinander lassen, besonders ich war richtig leidenschaftlich dabei. Doch mit den Jahren nahm der Sex einfach ab, immer mehr. Das machte mir große Sorgen und setzte mich unter Druck. Ich hatte auch nicht mehr so die Lust auf Sex. Was stimmte nicht mit mir? In zahlreichen Ratgebern las ich, dass es komplett normal sei, dass man weniger miteinander schläft, das ist nichts Schlimmes. Ich verglich unser Liebesleben ständig mit dem Standard. Das tat uns natürlich nicht gut. Heute weiß ich, dass es in Ordnung ist, wenn beide nicht oft wollen und können, Hauptsache es ist für beide in Ordnung. Schwierig wird es, wenn einer mehr will und der andere nicht.

Wenn das der Fall ist und einer oder beide unzufrieden ist, sollte man etwas tun. Nicht nur an der Beziehung muss man arbeiten. Und da ist Kommunikation eben auch sehr wichtig. Sind wir zufrieden mit dem Sex oder nicht? Miteinander darüber reden, was man will und was nicht. Welche Vorlieben hat man? Welche Fantasien? Was will man ausprobieren? Wie können wir unser Sexleben abwechslungsreicher gestalten? Wie kommt die Leidenschaft wieder hinein? Und dann gilt es auch nicht nur zu reden, sondern dran zu bleiben und auszuprobieren.

Und wichtig ist auch, selbst darüber nachzudenken, über sich und warum da so viel Unzufriedenheit und fehlende Leidenschaft da ist. Ich habe auch gelernt, mich für meine fehlende Lust nicht zu verurteilen. Es ist einfach so. Statt also immer nur beim Problem zu sein, nach Lösungen zu schauen. In der Beziehung lernt man sich selbst eben besser kennen, wie man liebt und vor allem was man sexuell will. Zuvor hatte ich mich wenig bis gar nicht mit Sexualität befasst, doch nun galt es, sie gemeinsam mit einem anderen zu erkunden.


Meine Abgründe

Am meisten habe ich etwas über mich selbst in der Beziehung gelernt. Ich habe plötzlich ganz andere Seiten an mir entdeckt, die ich zuvor nie gesehen habe. Da war plötzlich so viel unbändige Wut und viele Aggressionen, die nach lächerlichen Kleinigkeiten aufkamen. Auch Eifersucht kam plötzlich verstärkt auf. Überhaupt lernte ich mich als jemanden neu kennen, der gerne Streit sucht, auch mal andere abwertet, ständig kritisiert, so gar nicht empathisch ist, immer recht haben will, stur ist, dem anderen seinen Willen aufdrängen will, nur an sich denkt. Ich fand heraus, dass ich noch tief in mir Drinnen ein kleines Kind war, was noch nicht erwachsen geworden ist. Dass ich wütend und aggressiv wurde, wenn etwas nicht so lief, wie ich es wollte. Dass ich oftmals gar nicht sozial war, sondern doch gerne meine Ruhe haben will.

Wo war mein empathisches, freundliches, hilfsbereites, ruhiges Ich hin, was ich sonst immer Kollegen, Freunden und Familie gezeigt hatte? Es war zwar nicht verschwunden, aber wurde immer wieder von einem anderen Ich verdrängt, besonders in Krisen- und Konfliktzeiten. Immer dann taten sich Abgründe auf, ich sah plötzlich meine Schatten und begann mich selbst deswegen schlecht zu fühlen.

Erst neulich fand ich heraus, dass wir zwei unterschiedliche Persönlichkeiten haben, die Alltagspersönlichkeit und die Beziehungspersönlichkeit, die sich schon krass unterscheiden können. Ich leide also nicht an einer Persönlichkeitsstörung, nein beide Anteile gehören zu meinem komplexen Charakter dazu. Je nachdem, mit wem wir zusammen sind, verhalten wir uns ohnehin etwas anders. Aber in der Beziehung lernte ich eben auch die dunklen Seiten kennen. Inzwischen weiß ich auch, dass sie mir nichts Böses wollen, sie wollen mich schützen, haben auch etwas Positives an sich. Und darum wollen sie gesehen und akzeptiert werden. Und schlussendlich auch in meine komplette Persönlichkeit integriert werden.


Der Partner ist nicht alles im Leben

Wie ich bereits in meinem vorherigen Artikel über Beziehungsirrtümer geschrieben habe,  dachte ich immer, mein Partner ist alles, was ich brauche. Vor dieser Beziehung projizierte ich diese Vorstellung bereits auf einige meiner besten Freunde. Solange ich diese Menschen bei mir habe, brauche ich nichts anderes zum Glücklichsein.

Doch das stellte sich als Irrtum heraus. Als wir in die neue Stadt zogen, hatte ich nur meinen Freund und sonst niemanden. Ich dachte, dass es okay wäre. Aber das stimmte nicht. Ich war richtig einsam. Und da lernte ich, dass mein Freund eben doch nicht alles und vor allem keine Freunde ersetzen kann. Ein Mensch allein kann nicht all das sein, was wir im Leben brauchen. Ich brauche Freunde und sie sind wichtig in meinem Leben. Sie können nicht durch Liebe ersetzt werden, auch wenn mein Freund auch mein bester Freund war und ist.

All die Jahre konnte ich ohne Beziehung leben und war trotzdem glücklich, es fehlte mir nicht wirklich was. Weil ich meine Freunde hatte. Ich kannte Liebe nicht, wusste nicht, was mir fehlen würde. Wie es heute sein würde, wenn ich Single wäre, kann ich nicht sagen. Vermutlich würde ich dann sagen, dass mir beides wichtig ist. Ich möchte ohne beides nicht leben. Aber ich weiß, dass ich Freunde und Liebe brauche.

Und ich habe auch gelernt, dass der Partner eben nicht alles im Leben ist. Da ist noch so viel mehr, was mich erfüllt. Die Arbeit, meine Zeit mit mir selbst, mein Ehrenamt, all meine Hobbys. Ich brauche mehr im Leben als nur Liebe.


Ich kann den anderen nicht ändern, aber ich mich

Eine super harte Lektion, die ich zwar begreife, aber noch nicht ganz verinnerlicht habe. Ich dachte, dass ich meinen Partner so formen kann, wie ich will. Ich habe zu oft an ihm gemeckert, zu viel kritisiert und damit auch sein Selbstwertgefühl vermindert. Das bereue ich schrecklich und ertappe mich auch heute noch dabei, wie ich es gelegentlich tue.

Dabei will ich doch selbst bedingungslos geliebt werden, auch wenn ich mal scheiße bin oder Mist gebaut habe. Ich will mit all meinen Fehlern und Schwächen akzeptiert und geliebt werden. Und das gilt aber auch für meinen Partner. Das macht doch wahre Liebe aus.

Und egal wie sehr ich versuche, ihn zu ändern, er wird sich dagegen sträuben. Er wird sich nicht einfach ändern, weil ich es will. Ich kann und soll ihn nicht ändern, sondern stattdessen akzeptieren.

Was ich jedoch ändern kann, bin ich selbst und auch meine Einstellung und mein Denken. Ich kann lernen, es zu akzeptieren, dass es Dinge und Menschen gibt, die ich nicht ändern kann und soll. Ich kann gelassener damit umgehen und mich mehr auf mich konzentrieren. Das habe ich in der Hand.


Lieber "Gleich und gleich gesellt sich gern" als "Gegensätze ziehen sich an"

In all den Jahren haben wir uns doch sehr verändert, vor allem ich. Inzwischen dominieren zwischen uns mehr die Unterschiede als Gemeinsamkeiten. Doch wir sind noch immer auf einer Wellenlänge. Jetzt weiß ich umso mehr, wie wichtig es ist, dass man doch zumindest Grundeinstellungen miteinander teilen sollten. Gewisse Unterschiede und Differenzen sind normal und auch wichtig, wir sind ja immerhin zwei Individuen und sollten das auch bleiben. Aber inzwischen denke ich, je mehr man gemeinsam hat, desto weniger Reibungspunkte und Unterschiede gibt es. Ich will mich nicht aufgeben und mir untreu werden. Ich will an dem festhalten, was ich bin, was ich denke und fühle und das auch nicht meinem Partner zuliebe aufgeben. Darum werde ich die Differenzen akzeptieren, sie gehören eben auch zur Beziehung dazu.


Sich fremdverlieben ist normal

Gefühle für jemand anderen zu entwickeln kann passieren und muss nicht unbedingt bedeuten, dass die Beziehung schlecht ist. Es kann ein Hinweis darauf sein, dass etwas fehlt und man an der Beziehung arbeiten sollte. Aber das muss nicht sein. Ich habe Fremdverliebtheit auch als etwas schönes erlebt, was das Liebesleben in Schwung bringt und auch einfach ein Genuss ist. Warum sollte man dieses Gefühl nicht einfach akzeptieren und genießen, solange man es hat?


Mein Partner muss mich nicht glücklich machen

Auch ein Beziehungsirrtum, den ich erst vor einiger Zeit entlarven konnte. Ich hatte immer große Erwartungen an meinen Partner: Er sollte mein Seelenverwandter, Liebhaber, bester Freund, mein Zuhause, meine Familie, mein Kummerkasten und noch viel mehr sein. Und vor allem sollte er alles tun, damit es mir gut geht, sich ändern, damit ich glücklich bin.

Aber das ist falsch! Er ist nicht für mein Glück verantwortlich, muss nicht meine Erwartungen und Wünsche erfüllen. Er kann und soll nicht meine Bedürfnisse befriedigen. Ich bin dafür verantwortlich, das zu tun und mich glücklich zu machen.


Was Liebe ist

Am wichtigsten ist natürlich gewesen, dass ich überhaupt gelernt habe zu lieben und geliebt zu werden. Wie es ist mit jemanden sein Leben zu teilen. Wie es ist, mit jemandem durch dick und dünn zu gehen. Auch mal gemeinsam Krisen zu überstehen. Wie wertvoll es ist, jemanden zu haben, dem man vertrauen und sich vollkommen offenbaren kann. All die schönen Momente, die wir miteinander teilen konnten. All die Glücksgefühle und die Verliebtheit und auch wie sich Liebe überhaupt anfühlt.



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