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Was ich in meiner Beziehung über mich gelernt habe


Kaum ein anderer Mensch steht einem näher als der eigene Liebespartner. So ist es auch bei mir. Mein Mann ist der Mensch, der mich am besten kennt. Und immer wieder ist er für mich auch ein Spiegel, der mir Seiten von mir zeigt, von denen ich nichts wusste. Gute wie auch schlechte Seiten.


In meinem vergangenen Beitrag hatte ich bereits darüber geschrieben, dass wir in Beziehungen zu Monstern werden können. Es scheint so, als würden wir eine ganz andere Persönlichkeit annehmen. Inzwischen denke ich, dass es keine neue Persönlichkeit ist, sondern, dass wir einfach uns selbst authentisch zeigen, so wie wir sind. Und dass Beziehungen eben dazu einladen, sich immer wieder am anderen zu reiben, dass Konflikte einfach auch vorprogrammiert sind, wenn zwei Menschen sich so nah kommen und sich so intensiv miteinander auseinandersetzen.

Und so kommt es eben, dass unser Liebespartner eben die Person ist, bei der wir alle Masken fallen lassen können. Die Intimität und Vertrautheit zwischen zwei Menschen lädt dazu ein, sich so zu zeigen, wie man ist. Was zunächst sehr befreiend sein kann, kann auch stellenweise belastend für beide sein.

Wenn neben den positiven Seiten auch all die nicht ganz so positiven Seiten zum Vorschein kommen: So etwas wie Eifersucht, Egoismus, Klammern, Verlustängste und all die negativen Emotionen, die vielleicht im Umgang mit Kollegen, Bekannten oder Freunden so gar nicht hochkommen. Oder zumindest nicht so offen gezeigt werden. Doch in einer Beziehung kommt eben doch mal alles Mögliche hoch, auch das, was man sonst immer so behutsam vor anderen verstecken will.


Vertrautheit hat immer zwei Seiten

Eine wilde Achterbahn der Gefühle – so würde ich Beziehungen beschreiben. Und so war es auch von Anfang an mit meinem ersten Freund, der inzwischen mein Mann geworden ist. Es gab viele schöne Momente, tolle Zeiten, wir haben viel gelacht, aber auch gewütet und geweint. Es war nicht immer leicht, aber es hat sich gelohnt, sich den eigenen Ängsten, der eigenen Verletzlichkeit und den eigenen Abgründen zu stellen. Nur wenn wir uns so verletzlich zeigen, wie wir sind, kann daraus auch eine echte tiefe Verbindung entstehen.

Bis ich ihn kennengelernt hatte, habe ich andere Menschen nie so nah an mich heranlassen. Und schon gar nicht so tief in mein Herz schauen lassen. Doch mit ihm änderte sich alles. Von Anfang an war eine Vertrautheit da, als ob wir uns schon gefühlt ewig kennen würden. Mit ihm konnte ich einfach ich selbst sein, ohne mich zu schämen. So vertraut und so sicher habe ich mich noch nie mit jemandem gefühlt. Ein unbeschreibliches Gefühl.

Durch ihn habe ich Seiten an mir entdeckt, die ich davor nicht kannte. Und deswegen ist für mich mein Mann nach wie vor ein wichtiger Spiegel, um mich selbst noch besser kennenzulernen und herauszufinden, wer ich eigentlich bin.


Der Partner als Spiegel für die eigenen Schattenseiten

Diese Vertrautheit hat eben auch noch eine andere Seite. Ich war so vertraut mit ihm, dass ich jegliche negativen Gefühle nicht mehr zu verstecken brauchte. Beziehungsweise konnte ich es nicht, sie überrollten mich, ohne, dass ich etwas tun konnte. Plötzlich merkte ich: Du bist ja ein total emotionaler Mensch, so kenne ich dich gar nicht. Sonst immer eher ruhig und schüchtern bei anderen Menschen, war ich in der Beziehung ein impulsiver Mensch.

Besonders geschockt war ich, als ich merkte, dass sich bei mir in der Beziehung recht schnell Wut und Ärger anstaute. Schlüsselerlebnisse waren Kartenspiele, die wir gegeneinander spielten. Eigentlich dachten wir uns nichts dabei, ist doch alles harmlos, wenn wir mal gegeneinander spielen. Doch Pustekuchen! Immer wenn er gewann (das passierte sehr oft), war ich danach richtig stinkig. Ich hatte mich in das Spielen so hineingesteigert, dass die Wut nach jeder Niederlage aus mir herausplatzte. Manchmal fing ich dann sogar an, vor Wut zu weinen.

Das Schlimme daran: Der Frust und die Wut gingen so schnell nicht weg. Er konnte noch so versöhnlich und liebevoll sein, ich ließ mich nicht umstimmen. Die Wut hatte mich voll in der Hand. Rein rational war mir klar, dass es übertrieben war. Es ging ja nur um ein Spiel! Aber ich merkte, dass mich dabei irgendetwas triggerte. Das brachte mich zum Überkochen.

Bis heute werde ich aus diesen Überreaktionen nicht schlau, ich kann es selbst in den Momenten der Wut nicht mal verstehen, was da gerade in mir abgeht. Hatte ich mich ungerecht behandelt gefühlt, weil er mich im Spielen fertigmachte? Konnte ich damit nicht klarkommen, dass wir zeitweise Gegner waren? Was war da los? Ich verstehe bis heute nicht. Haben die Niederlagen vielleicht mein verletztes inneres Kind geweckt? Damals hatte ich schon ein sehr niedriges Selbstwertgefühl und das wurde wahrscheinlich mit meinen Niederlagen noch weiter runtergezogen. Eine Niederlage bedeutete für mich eben Versagen, ich hatte versagt. Ich war vielleicht enttäuscht von mir, aber auch sauer, dass er mich besiegt hatte. Ich projizierte vielleicht meinen Frust auf mich und das Spiel an sich auf ihn, obwohl er ja nichts dagegen tun konnte. Ich brauchte damals einen Sündenbock, um mein eigenes Selbstwertgefühl zu schützen. Ich war und bin eben eine schlechte Verliererin. Ob das wirklich so ist, kann ich nicht mehr sagen. Glücklicherweise passieren solche Wutanfälle heute sehr selten oder auch gar nicht.


Was hinter der Eifersucht eigentlich steckt

Dank der Beziehung lernte ich noch weitere Schatten und Abgründe kennen, was oftmals sehr unangenehm und anstrengend für uns beide war. Sie belasteten unsere Beziehung eine Zeit lang auch.

Wir führten anfangs, für ein Jahr, eine Fernbeziehung. Das war schon belastend für uns beide. Es führte auch dazu, dass mein Vertrauen und Selbstwertgefühl auf die Probe gestellt wurde. Schon vorher wusste ich, dass ich besitzergreifend war. Ich wollte bestimmte enge Freunde nur für mich haben. Doch in meiner ersten Beziehung nahm das ganze eine ganz neue Dimension an. Ich war auf alles und jeden in Bezug auf meinen Freund eifersüchtig. Ich war eifersüchtig auf frühere Mädchen, in die er verliebt war, auf seine Familie und sogar auf seine Freunde. Es gab nicht mal einen Grund und er hätte mir so oft schwören können, dass ich ihm wichtiger bin. Aber ich konnte es nicht glauben. Da waren immer Zweifel, die das Vertrauen in die Beziehung und in ihn erschwerten.

Die Eifersucht war nur deswegen so ausgeprägt, weil ich unter einem geringen Selbstwertgefühl litt. Ich hatte Angst, dass er mich verlässt, weil ich mich selbst nicht für liebenswert hielt. Insgeheim redete ich mir ein, dass er mich ja auch leicht ersetzen könnte, dass ich keine Liebe verdiene, dass andere viel hübscher, liebenswürdiger und was weiß ich sind. Es gab keinen wirklichen Grund, weswegen ich eifersüchtig sein müsste. Ich schuf mir die Gründe selbst.

Die Fernbeziehung verschlimmerte mein unsicheres Bindungsverhalten. Aufgrund meines Selbstwertgefühls war ich generell sehr unsicher. Die Entfernung erschwerte es mir, wirklich zu vertrauen. Ich fing an, alles Mögliche, was er schrieb und sagte, zu analysieren und zu interpretieren. Meist nicht zu seinem Gunsten. Das führte zu anstrengenden, stundenlangen Gesprächen, in denen wir uns immer wieder im Kreis drehten. Aber irgendwann war dann glücklicherweise mal gut und ich fing mich wieder.

Ich stellte dauernd Forderungen, wollte ständig Bestätigungen. Fehlten sie, fühlte ich mich nicht genug von ihm geliebt. Und dann warf ich mich vor, dass er mich vernachlässigt, mir nicht genug zeigt, wie wichtig ich ihm bin. Doch das alles sagt am Ende doch viel weniger über ihn aus, sondern mehr über mich. Meine gesamte Kritik und meine Forderungen zeigen mir auf, welche Bedürfnisse bei mir nicht gestillt werden. Ich machte außerdem meinen Freund dafür verantwortlich, mich glücklich zu machen. Ich machte mich von seiner Liebe abhängig. Und das setzte ihn enorm unter Druck. Wir machten uns damit zeitweise beide nur unglücklich damit.

Heute weiß ich: Die Eifersucht und das Klammern haben nichts mit ihm zu tun. Das alles hat mit mir zu tun. Er kann machen, was er will. Solange ich mich selbst nicht liebenswert empfinde und ihm nicht vertraue, solange wird es auch nicht weniger mit den Zweifeln.

Statt immer verzweifelt nach Bestätigungen und seiner Liebe zu verlangen, musste ich lernen, mir selbst Liebe zu geben. Dann bin ich auch nicht immer so abhängig von ihm. Das nimmt auch ungemein Druck in der Beziehung raus, wenn man nicht ständig fordert. Sondern sich gegenseitig als Geschenk ansieht und sich bedingungslos lieben kann.

Somit diente mir mein Freund und unsere Beziehung also wieder einmal als Spiegel. Ein Spiegel, der mir meine Baustellen aufzeigt, an denen ich arbeiten sollte.


Mein Partner ist nicht für mein Glück verantwortlich

So auch ein paar Jahre später, als wir endlich zusammenwohnten. Ich wollte mehr mit ihm unternehmen, er aber nicht. Ich wollte raus, etwas erleben, er lieber im eigenen Zuhause bleiben. Das frustrierte mich sehr. Ich nörgelte die ganze Zeit an ihm rum, kritisierte ihn dafür, dass er nie etwas mit mir unternahm. Ich meckerte, weil er viel zu wenig erzählte und wir einfach zu wenig miteinander reden.

Ich glaubte, ich sei im Recht, wollte ihn ständig davon überzeugen. Anfangs versuchte ich ständig, ihn dadurch zu verändern. Aber es klappte eben nicht. Ich hatte mit ihm ein Problem, dachte ich. Er muss sich darum kümmern, sich ändern, damit das Problem gelöst ist.

Und hier kam eben auch mein Egoismus zu Tage, den ich zuvor nicht in dem Maße gekannt hatte. Es ging dabei immer nur um mich. Ich, ich, ich! Ich will, dass du das dies und jenes tust. Du musst das für mich tun, weil du mich liebst. Wenn du das nicht machst, liebst du mich auch nicht genug. Es ging nur um meine Bedürfnisse, die ich ihm aufdrücken wollte.

Ich sagte Dinge aus Wut, die ich nie sagen wollte und verletzte ihn. Ich bereute sie sofort, aber im Moment des Streits war ich von Gefühlen so in den Bann gezogen, dass ich nicht darüber reflektieren konnte und wollte.

Obwohl ich mich sonst als sehr emphatischen Menschen sehe, war nichts von Empathie ihm gegenüber zu spüren. Als ob ich ein ganz anderer Mensch wäre. Wie sehr negative Gefühle das wahre Ich eines Menschen zum Vorschein bringen können.

Aber in Beziehungen ist es eben so: Da kommen auch mal die hässlicheren Seiten zum Vorschein. Da geht es oftmals um Erwartungen, die nicht immer erfüllt werden. Enttäuschungen gehören dazu, genauso wie Frust, Wut und Verletzungen. Natürlich darf das keine Rechtfertigung und Entschuldigung sein. Sich dies bewusst zu machen, kann schon mal helfen, anders zu denken und vielleicht beim nächsten Mal anders zu reagieren.

Heute weiß ich: Er muss gar nichts. Es liegt nicht an ihm, sondern an mir. Ich hatte ein Problem mit mir selbst. Ich übertrug meine Wünsche und Bedürfnisse auf ihn, machte ihn wieder dafür verantwortlich, mich glücklich zu machen. Vielleicht glaubte ich, dass Beziehungen dafür da sind, dass die eigenen Bedürfnisse gestillt und der Partner einen glücklich zu machen hat. Wie sehr ich mich doch geirrt hatte. Es brauchte eine wirklich lange Zeit, bis ich das irgendwann verstand. Auch, dass ich meinen Partner niemals ändern werde. Und wenn ich ihn nicht ändern kann, dann muss ich eben mich und meine Einstellung ändern.

Und so suchte ich mir eben Freunde, mit denen ich die Dinge machen konnte, die er nicht wollte. Mit ihnen klappte es mit gemeinsamen Unternehmungen und längeren Gesprächen. Ich drängte ihn nicht mehr, mit mir Dinge zu unternehmen, auf die er keine Lust hatte. Gespräche zu führen, die er nicht wollte. Ich löste mich langsam von ihm, wurde unabhängiger. Ich suchte Wege, um mir meine Bedürfnisse selbst zu stillen. Mein Glück war nicht mehr von ihm abhängig, denn ich konnte selbst dafür sorgen.

Die ganzen Streitereien darüber waren am Ende also notwendig, damit ich diese wichtige Lektion lernen konnte. Ich musste erst einmal viel Frust und Wut erleben, um etwas an mir selbst zu ändern, den Fokus neu auszurichten. Weg von dem Gedanken, dass all unsere Bedürfnisse nur vom Partner erfüllt werden sollten oder man immer als Paar zusammenhängen muss.


Eigene Bedürfnisse kennenlernen und sich abgrenzen

Mir wurde immer erst im Streit mit ihm bewusst, was meine eigenen Bedürfnisse sind. Und dass Bedürfnisse zweier Menschen grundverschieden sein können. Ich übertrug automatisch meine Bedürfnisse auf ihn, ging davon aus, dass er auch so denken und fühlen musste. Und wenn er eben nicht dieselben Bedürfnisse hat, liebt er mich nicht. Was für ein Irrtum!

Im Laufe der Jahre konnten wir uns gut voneinander abgrenzen, haben inzwischen das richtige Maß an Nähe und Distanz gefunden. Das war ja nicht immer so. Ich wollte mehr mit ihm machen, war emotional auch etwas abhängig von ihm, suchte ständig Nähe. Er dagegen wollte seine Ruhe haben, brauche auch seinen Freiraum. Das triggerte mein inneres verletztes Kind natürlich sehr, fühlte es sich nicht liebenswert und geliebt. Heute weiß ich aber: Dass er Freiraum und Abstand braucht, ist total okay und hat nichts mit seiner Liebe zu mir zu tun. Und inzwischen brauchen wir beide auch unseren Freiraum und zeigen uns gegenseitig Verständnis. Inzwischen übertrage ich auch nicht mehr alles, was er sagt und tut auf mich und seine Liebe zu mir. Denn ich habe gelernt, ihm zu vertrauen.

Anfangs verschmolzen wir beinahe miteinander, konnten nicht mehr ohne. Und ich wollte zu sehr einfach nur mit ihm eins sein. Doch mit den Jahren hatte sich eine Abhängigkeit entwickelt, die eben für mich nicht gesund war. Ich dachte die ganze Zeit, dass es ausreicht, wenn wir uns beide hätten.

Doch als ich damals in der neuen Stadt keine Freunde hatte und mir die Familie fehlte, wusste ich: Die Liebe allein kann dich nicht glücklich machen. Ein Mensch allein reicht nicht aus, so schön die Vorstellung auch ist. Ich brauche andere Menschen, um mich herum. Alles nur mit dem Partner zu machen, führt nur zu mehr Abhängigkeit und baut eben noch mehr Druck auf.


Dank ihm als Spiegel habe ich über die Jahre sehr viel über mich selbst und meine eigenen Bedürfnisse gelernt. Es war ein langer Prozess, der aus vielen Tränen, Wut, Verletzungen und Streitigkeiten bestand. Aber am Ende bin ich doch glücklich darüber, dass wir uns gegenseitig unsere Schattenseiten gespiegelt haben. Für mich ist klar: Mein Partner ist ein wichtiger Antreiber, um an mir selbst zu arbeiten, damit wir gemeinsam in unserer Beziehungen wachsen können.

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