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Warum wir mehr Fragen stellen sollten

Als Kinder haben wir unsere Eltern in den Wahnsinn getrieben: Wir haben sie ständig mit Fragen gelöchert, waren voller Neugier, suchten nach so vielen Antworten. Doch im Laufe unseres Lebens nimmt das ab. Bis wir irgendwann keine Fragen mehr stellen. Wir verlernen, uns oder anderen Fragen zu stellen. Aus Bequemlichkeit oder vielleicht aus Angst vor den Antworten. Dabei sind Fragen so wichtig – für uns und für andere.


Während Kinder sehr viele Fragen stellen, einfach weil sie super neugierig sind und viel zu lernen haben, fragen wir als Erwachsene immer weniger. Liegt es daran, dass wir glauben, es sei ein Zeichen von Schwäche und Unwissenheit? Wer fragt, dem scheint ja irgendwie Wissen zu fehlen. Der will etwas erfahren. Es sollte klar sein, dass wir auch als Erwachsene nicht alles wissen. Darum sollten wir uns keine Blöße geben und ruhig mal nachfragen, wenn wir keine Ahnung haben.

Dabei gilt doch: Es sind gibt keine dummen Fragen, nur dumme Antworten! Vermutlich kennt jeder diesen Spruch. Und doch fühlen sich viele darin gehemmt, einfach mal zu fragen. Aus welchen Gründen auch immer.

Dabei sind Fragen der Schlüssel für so vieles: um Beziehungen zu vertiefen, um aneinander besser zu verstehen, um sich selbst und auch die Welt besser zu verstehen. Und nicht zuletzt, um den inneren Kompass immer wieder neu auszurichten, herauszufinden, wohin die Reise gehen soll. Fragen helfen uns, Verbindungen zu anderen und zu uns selbst zu entwickeln und zu verstärken. Und sie helfen uns dabei, uns innerlich weiterzuentwickeln.

Fragen hat meiner Ansicht nach nicht unbedingt etwas mit Unwissenheit oder Dämlichkeit zu tun. Mag sein, dass man fragt, weil man etwas nicht versteht oder etwas nicht weiß. Aber das ist doch total normal. Und es ist ein gutes Zeichen, wenn man eben auch dazu steht, dass man etwas nicht versteht, nicht kennt oder weiß. Es ist mutig, weil man sich gewissermaßen auch etwas verletzlich macht.


Fragen schaffen emotionale Verbindung zu anderen

Fragen sind vor allem in Beziehungen zu anderen sehr wichtig. Weil sie dem anderen signalisieren: Ich höre dir aufmerksam zu, ich möchte dich noch besser verstehen und bin interessiert an dem, was du mir erzählen willst. Gute Fragen setzen ohnehin voraus, dass man dem anderen wirklich aufmerksam zuhört, ihm folgt. Daraus folgen ja meist auch Anschlussfragen. Sie schaffen eine emotionale Verbindung zum anderen. Der andere, der etwas erzählt, fühlt sich gehört, gesehen und verstanden. Wir geben mit Fragen dem anderen Raum, mehr zu erzählen. Er darf sich entfalten. Und jeder mag es doch, wenn er über sich und sein Leben reden kann, nicht wahr?

Es gibt gute und weniger gute Fragen. Die guten Fragen, die auch wirklich Verbindung schaffen, sind die offenen Fragen. Offene Fragen lassen sich nicht mit „Ja“ oder „Nein“ abhaken, sie zielen darauf ab, dass der andere mehr erzählt. Meist beginnen sie auch mit einem „Wie“ oder „Was“ oder „Warum“. Mit den offenen Fragen signalisieren wir: Wir hören zu, wir wollen mehr erfahren, der andere darf erzählen.

Geschlossene Fragen kennen wir alle, wenn wir genaue Informationen haben wollen oder wenn eben nur ein „Ja“ oder „Nein“ gefordert ist ähnlich wie bei Verhören. Die sind dann weniger gut, um Verbindung zu anderen zu schaffen.

Fragen helfen, durchaus mehr in die Tiefe zu gehen. Indem man eben nicht immer die Standard-Fragen stellt, sondern eben auch Fragen, die sich um die Vergangenheit, Biografie des anderen, um Wünsche und Ängste und die Zukunft des anderen drehen. Fragen, die auch vor allem ins Emotionale gehen. Fragen, die die Person und ihre Persönlichkeit an sich betreffen.


Den Bedürfnissen auf den Grund gehen

Fragen gehen einher mit aktivem Zuhören. Beim aktiven Zuhören gibt man das, was erzählt wurde, in seinen eigenen Worten wieder. Und da kann es auch helfen, wenn man fragt: Habe ich das richtig verstanden, dass du es so gemeint hast?

Interessant ist dabei auch, dass man mit Fragen auch herausfinden kann, was der andere gerade am meisten braucht. Wenn sich jemand beschwert, traurig über etwas ist, hören wir ja meist zu und geben dann gerne Ratschläge oder wollen trösten oder bemitleiden den anderen. Wir meinen es nur gut, aber vielleicht fühlt sich der andere auch nicht verstanden und will eigentlich keine Ratschläge oder Trost haben. Er sucht etwas anderes bei uns.

Damit die Konversation nicht abbricht, könnte man erst einmal fragen: „Möchtest du hören, was ich dazu denke oder was ich davon halte? Willst du meinen Rat hören? Kann ich dir etwas dazu sagen?“ Und dann kann der andere mitteilen, ob er meine Gedanken und meinen Rat hören und annehmen will. Denn nur wenn der andere auch bereit dafür ist und auch zuhören will, kann daraus auch eine erfüllende Konversation für beide werden. Dann kommt das auch wirklich bei dem anderen an, was wir vermitteln wollen.


Fragen regen beim Anderen Reflexion an

Ich habe in dem Zusammenhang auch ein schönes Buch gelesen, wo es um Zuhören und auch emphatische Vermutungen („Zuhören ist ein Geschenk“ von Andrea Wiedel) ging. Letzte sind Fragen, in denen man seine Vermutungen verpackt. Ein Beispiel: Wenn eine Freundin von einer anderen nicht zu ihrem Geburtstag eingeladen wurde, aber alle anderen Freunde schon. Dann würde ich fragen: „Bist du traurig und möchtest gerne wissen, warum du nicht eingeladen wurdest? Willst du gerne dazugehören?“

Zum einen geht man auf das ein, was die Freundin einem erzählt hat. Aber es geht dann nicht um das stumpfe Wiederholen ihrer Worte. Man setzt sich aktiv mit dem auseinander, was sie erzählt. Und man nimmt Bezug auf die Dinge, die zwischen den Zeilen liegen: die Gefühle, Bedürfnisse, Wünsche, Ängste und Gedanken. Man spiegelt mit diesen Fragen sozusagen das, was einem erzählt wurde und was alles mitschwingt.

Und dann liegt es an der Freundin, dies entweder zu bestätigen oder auch nicht. Die Freundin wird innehalten und in Kontakt mit ihren eigenen Gedanken, Gefühlen und Wünschen kommen. Fragen regen dann dazu an, dass der andere nachdenkt. Mit den Fragen helfen wir unserem Gegenüber, über sich und seine Gedanken und Gefühle klar zu werden. Und dann kann die Freundin darüber reflektieren und ist bereit, noch tiefer einzusteigen und mehr zu erzählen.

Fragen sind für mich vor allem wichtig, wenn ich als Kummerkasten-Beratin tätig bin. Indem ich Fragen an denjenigen stelle, der einen Rat sucht, helfe ich ihm, zu eigenen Erkenntnissen zu kommen. Ich bin der Ansicht, dass man erst einmal immer bei sich anfangen sollte, Antworten zu finden. Oftmals führt uns es eher in die Irre, wenn wir immer nur im Außen suchen. Viele Antworten stecken eigentlich in uns selbst. Wir müssen nur danach suchen. Die Fragen sollen helfen, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, sich besser kennenzulernen und zu verstehen. Ich will damit helfen, dass die Ratsuchenden herausfinden, wer sie sind, was sie wollen und was sie sich wünschen.


Einfach mal die Klappe halten

Für den Zuhörenden sind Fragen insofern ein Geschenk, weil man sich im aktiven Zuhören übt. Außerdem hilft es uns auch, den anderen besser zu verstehen. In den meisten Gesprächen ist es ja leider eher so, einer redet und der andere wartet nur darauf, gleich etwas dazu zu sagen. Kaum hat der andere fertig erzählt, wird er unterbrochen, nimmt das Steuer in die Hand. Und dann erzählt man von dem, was einem passiert ist oder was man selbst davon hält. Dann wird kommentiert und bewertet. Aber der andere könnte sich vor den Kopf gestoßen fühlen, weil wir uns gar nicht auf ihn und sein Gesagtes beziehen. Und so funktioniert eben keine gute Kommunikation.

Es gibt leider auch Fälle von parallelen Monologen, wenn jeder nur für sich erzählt, sobald er an der Reihe ist, aber gar nicht auf die anderen eingeht. Dann geht es lediglich nur um Selbstdarstellung und Bestätigung. Wer am meisten, besten, lautesten und schnellsten erzählt, gewinnt. Ein Wettbewerb, der aber keine tiefen Verbindungen und kein Verständnis untereinander zulässt.

Fragen sind sowieso total schön, um einfach noch mehr dazu zu lernen. Ich persönlich mag es nicht, meine Geschichten 100-mal zu wiederholen. Ich kenne sie schon und bin es leid, sie immer und immer wieder durchzukauen. Dann finde ich es eine tolle Abwechslung, den anderen reden zu lassen. Da kommt wieder frischer Wind in mein Leben rein, neue Erfahrungen, Erkenntnisse und Gedanken. Damit erweitere ich meinen eigenen Horizont. Darum mag ich es tatsächlich auch viel lieber, zuzuhören, anstatt selbst etwas zu sagen. Nur wenn man mal die Klappe hält und richtig zuhört, kann man etwas lernen.


Fragen führen zu mehr Wissen und zur Selbstfindung

Ob man nun Fragen an sich oder andere stellt: In jedem Falle sind wir damit aktiv auf der Suche nach Antworten. Mit den Fragen fängt immer auch die Suche nach Wissen und der Wahrheit an.

Fragen sind der Schlüssel, um sich kennenzulernen und selbst besser zu verstehen. Fragen können uns dabei helfen, uns selbst zu finden. Indem man regelmäßig darüber reflektiert, kommt man mehr mit sich selbst in Kontakt. Und man lernt immer wieder etwas Neues über sich kennen.

Solche Fragen können helfen: Wer bin ich eigentlich? Was macht mich aus? Welche positiven und negativen Eigenschaften habe ich? Was kann ich gut, was nicht? Was will ich eigentlich? Was sind meine Werte? Was sind meine Ziele? Welche Bedürfnisse habe ich? Was mag ich, was mag ich nicht? Wofür bin ich auf der Welt? Was fühle ich gerade im Moment? Bin ich wirklich glücklich? Und wenn nicht, woran liegt das? Womit bin ich unzufrieden? Was will ich ändern?

Man richtet sozusagen auch seinen inneren Kompass immer wieder neu aus. Fragen regen zur inneren Reflexion an. Wir schauen, wie es uns gerade geht, vergleichen den Ist-Zustand mit dem Soll-Zustand. Damit fangen innerliche Veränderungen an. Man kann nur etwas verändern, wenn man weiß, was verändert werden sollte, womit man unzufrieden ist. Und dann kann man sich fragen, was man ändern sollte und wie man das schaffen kann. Fragen helfen uns, unsere Wünsche und Ziele zu definieren, nur wenn wir uns selbst fragen, können wir herausfinden was wir wollen und wohin wir wollen.


Wenn alte Wunden aufreißen

Vor allem wenn es uns nicht gut geht, wir Probleme haben, können uns Fragen helfen, Lösungen zu finden. Wir gehen unseren Sorgen, Ängsten und Problemen so auf den Grund. Warum bin ich gerade so unglücklich? Was kann ich tun, damit es nicht mehr so ist? Was sollte ich ändern? Wichtig ist dann vor allem, dass wir nicht zu lange bei dem Warum bleiben, also uns nicht ständig fragen: Warum ist mir das passiert, warum immer ich? Sondern dass wir mit den Fragen gezielt auch nach Möglichkeiten suchen, wie wir das Problem lösen können.

Sich selbst Fragen zu stellen oder auch anderen, kann sehr schwer sein. Vielleicht treffen wir da einen wunden Punkt, wir reißen alte Wunden auf. Wir wollen uns am liebsten gar nicht mit unseren inneren Abgründen und Problemen auseinandersetzen. Das ist alles sehr menschlich und verständlich. Das kann schon entlastend sein. Aber der bessere Weg wäre, sich mit diesen schwierigen Themen auseinanderzusetzen, sie zu verarbeiten. Es ist nicht immer leicht, aber unbedingt notwendig. Es gibt Fragen, die wir uns unbedingt auch stellen sollten. Sonst wird sich nichts ändern. Und sich damit zu befassen, hilft uns, zu wachsen und uns weiterzuentwickeln.


Inspiration für gute Fragen

Man kann sich selbst die Challenge vornehmen, sich täglich etwas zu fragen. Das regt zur Selbstreflexion an und man wird dabei auch kreativ, wenn man sich Fragen ausdenkt.

Es gibt auch dieses tolle Buch „Eine gute Frage“ mit 100 Fragen, die sich mit den Themenbereichen Beziehungen, Leben, Kreativität, Gesundheit befassen. Darin sind wunderbare Fragen enthalten, die wir uns selbst stellen können. Aber sie sind auch ideal, um mal tiefgründige Gespräche mit anderen zu führen. Dadurch lernt man sich und auch den anderen viel besser und eben auf eine tiefere Ebene kennen. Ich habe dadurch wirklich sehr viele Aha-Momente gehabt und bin sehr dankbar für diese neuen Erkenntnisse.

Vor allem für Paare eignen sich auch die „Deeper Connection Cards“, wo es viel um die Zufriedenheit mit der Beziehung, Sexualität, Intimität und Liebe geht. Die Fragen beziehen sich auf eigene Bedürfnisse, Wünsche, aber auch auf gemeinsam erlebte Momente und was man an dem anderen so schätzt und liebt. Ich finde, das bringt auf jeden Fall auch noch mal mehr Erkenntnisse über die Person, von der man dachte, man kennt sie in- und auswendig. Die Karten mit den Fragen sorgen für wieder für mehr Gesprächsstoff und lassen uns auch mal innehalten. Sie helfen uns, wieder achtsamer in der Beziehung und mit dem anderen zu sein. Und schlussendlich fördert das ja auch die Kommunikation, die ja so wichtig in Liebesbeziehungen ist.


Wir sollten nie aufhören, Fragen zu stellen: Im Gegenteil, wir sollten wie Kinder wieder einfach mehr Fragen an andere und auch an uns stellen. Fragen können uns so viel geben, mehr Vertrauen und Nähe in Beziehungen schaffen, sie helfen, andere und uns selbst besser zu verstehen. Fragen sind unser Wegweiser fürs persönliche Glück und bringen uns in unserer Entwicklung weiter. Dazu müssen wir aber mutig genug sein, zu fragen und uns für die Antworten zu öffnen.


Zum Weiterlesen:

https://einguterplan.de/gute-fragen/
https://lebenskunst-einfach.blogspot.com/2021/02/was-ist-eigentlich-selbstreflexion-und.html
https://lebenskunst-einfach.blogspot.com/2019/06/eine-echte-verbindung-zu-anderen.html
https://lebenskunst-einfach.blogspot.com/2021/01/mit-deep-talk-zu-mehr-nahe-und.html

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